FERNE ZIELE – Teil 6 – Projekt Elektronik – Hartmut Heinze

An dieser Stelle werden exklusiv Auszüge aus Bernd Kistenmachers Buch “FERNE ZIELE – Geschichten über die Berliner Schule für elektronische Musik” veröffentlicht. Diese Aktion soll dabei helfen, dieses beinahe 800 Seiten starke Werk besser kennenzulernen und darauf neugierig zu machen. Ihr dürft euch also auf eine Menge spannender und interessanter Geschichten rund um die Berliner Schule für elektronische Musik freuen.

In FERNE ZIELE werden nicht nur Geschichten über das Lebensgefühl in West-Berlin oder die musikalischen Macher der Berliner Schule erzählt. Dieses Buch ist auch den “Architekten”, den technischen Machern im Hintergrund gewidmet. Menschen, ohne deren Beitrag die Musiker der Berliner Schule ihre Visionen kaum hätten so realisieren können, wie ihnen das letztlich gelungen ist. Einer dieser Architekten ist der Berliner Ingenieur Hartmut Heinze, der mit seiner Firma Projekt Elektronik einen wesentlichen Beitrag zur musikalischen Entwicklung und Präsentation der Band Tangerine Dream beigetragen hat.

Mit einem Ausschnitt aus seinem Gespräch mit mir über seine Zeit mit und bei Tangerine Dream endet die Werkschau und Reise durch “FRNE ZIELE”. Wer alle Geschichten über die Berliner Schule für elektronische Musik lesen möchte, sollte sich unbedingt das Buch zulegen.

Bernd Kistenmacher 1988 on stage with from Christoph Franke borrowed system from Projekt Elektronik (visible in background)

“Gespräch mit Hartmut Heinze (Projekt Elektronik) am 03.10.2019

Vielen Dank für Ihre Zeit Herr Heinze. Wann haben Sie zum ersten Mal Kontakt zu Tangerine Dream bekommen?

Dass muss bei einem Konzert in der alten TU Mensa gewesen sein. Da spielten Amon Düül als Vorgruppe glaube ich. Da sind damals schon die ersten Fetzen geflogen. Ich bin 1966 nach Berlin gekommen und ins Studium eingestiegen. So in dieser Zeit muss es gewesen sein. Vielleicht auch etwas später.

Woher kommen Sie?

Ich komme aus Westfalen. Also geboren bin ich in Schlesien, in Westfalen aufgewachsen.

Und dann sind Sie nach Berlin wegen des Studiums gekommen oder sind Sie vorm Bund geflüchtet?

Nein, wegen des Studiums. Mein Vater ist mit mir zum Wehrersatzamt gegangen und hat gesagt: „Kollegen, den kriegt ihr nicht“.

Das ist ein wenig wie mit meinem Opa. Der hat in Stalingrad ein Bein verloren. Aber obwohl mein Vater Berliner gewesen ist, hat er doch mit der Bundeswehr geliebäugelt. Irgendwie fand er das gut. Aber sein Vater sagte: „Das machst du nicht.“ Da waren auch viele vom Krieg traumatisiert.

Ja, ja, das war bei Vater auch so. Er ist um Stalingrad drumherum gekommen, weil er vorher eine Verwundung hatte. Und ich habe dann nach dem Krieg mitbekommen, wie ihm dieses „verführt werden“ klargeworden ist. Also wir haben nicht ein kontinuierliches Gespräch darüber gehabt. Ja, auf die Art und Weise bin ich drumherum gekommen. Bin dann hier in Berlin gewesen, Praktikum gemacht, studiert bis zum Ende, 15 Semester lang. Aber ich hatte einen Onkel, der sagte: „Junge, mach das so lange wie du kannst, danach gibt es keine Zeit mehr dafür.“ Bin dann irgendwann auf Christoph Franke gestoßen. Ich habe nebenbei auch Reparaturen ausgeführt. Diskothekenreparaturen und im Musikbereich, wenn etwas defekt war usw., um das Studium zu finanzieren. Und ich nehme an, dass da ein Kontakt entstand. In der Zeit hatte ich mit Frank Jürgen Krüger zu tun. Sagt er Ihnen was?

Ja sicher.

Das war Frank Jürgen Krüger (Künstlername Eff Jott). Der spätere Gitarrist von Ideal. Und mit ihm zusammen haben wir Feierabendjobs gemacht. Leider ist er vor einiger Zeit schon gestorben. (26. April 2007)

In den 70ern? Also lange bevor es Ideal gab? Die Neue Deutsche Welle war ja erst in den 80ern.

Das war noch vor Ideal. Da gab es jemand, der hat Gitarren hergestellt. In einer Seitenstraße vom Ku‘damm. Der hatte dort einen Keller. Und eines Tages sagte Krüger: „Ey, da musst du mal mitkommen, dort ist jemand im Keller, der baut Aluminiumgitarren. Für sehr teures Geld, für die größten Musiker der Welt.“ Solche verrückten Connections gab es damals. Ja. Und dann kam Christoph. Und Christoph sagte: „Hallo, kannst du diese drei Moog Geräte reparieren?“

Das war der berühmte Ankauf der Meisel Brüder von den Rolling Stones?

Genau, der stand im Hansa Studio und keiner hat es genutzt. Was daran jetzt defekt war, weiß ich nicht mehr. Jedenfalls haben wir erst mal die Netzteile repariert und dann gingen da schon mal die Lampen an, wir haben die Stecker gereinigt und so weiter. Christoph war dann sofort Tag und Nacht an den Geräten. Er hat es auch geschafft, von Moog Pläne zu bekommen. Wo jeder gesagt hat: „Der Moog gibt keine Pläne raus.“ Wir hatten so die neusten Pläne, auch für einen komplexen Einschub später. Dann sind die Moog Synthesizer erst mal in Gang gekommen. Die drei Geräte, die noch von den Stones übriggeblieben sind, hat TD dann in der Australien-Tournee eingesetzt.

1975 war das

Bei einem Crash, ich weiß nicht genau wie, sind die Geräte beschädigt worden. Sie haben sofort Techniker aufgetrieben, die die Geräte wieder reparieren konnten. Ich glaube es ist auch ein Konzert ausgefallen (18. März 1975 Auckland Town Hall). Sie kamen wieder und haben gesagt: „So, jetzt müssen wir was Neues haben. Das muss einen Meter tief fallen können und trotzdem noch Musik machen.“ Das waren so Fetzen, die mir jetzt in die Erinnerung kommen.

Also um noch am Anfang zu bleiben. Der Einstieg in diese Musik Elektronik Geschichte, der ging über Christoph Franke. Also, das war nicht so, dass diese sich entwickelnde Elektronik Szene auf Sie aufmerksam wurde? Zum Beispiel durch Klaus Schulze oder andere.

Nein, ich hatte mit der Elektronik Szene nichts zu tun. Ich war auch nicht dabei. Der Kontakt kam über Christoph Franke. Wir haben uns wunderbar verstanden, eine Begegnung der besonderen Art. Er stellt eine Frage und ich sagte nur: „Oh, ja, komm mal morgen.“ Oder er sagte mal: „Kann man da einen Schalter einbauen und alles geht eine Terz höher?“ – „Einen Schalter für eine Terz? Ich musste erst mal begreifen, was eine Terz ist, was ein Halbton und ein Ganzton sind, und wie das elektronisch gemacht wird. Nun kommt aber dazu, ich war lange an der Uni. Beziehungsweise ich war, glaube ich, fünf Jahre am Lehrstuhl tätig. Dort war ich an Analogrechnern tätig, habe auch sehr viel simuliert. Bei Analogrechnern hat man genau diese analogen Funktionen, die es im Synthesizer auch braucht. Hochstabile Spannungsgeber, hochstabile Teiler. All diese Poti Einstellungen und so weiter. Allerdings werden da keine Töne erzeugt, sondern Differenzialgleichungen abgebildet, also Zeitverläufe. Aber ich konnte mich dadurch ganz gut in die Materie reindenken. Und, ja, dann habe ich gesagt: „Ja, okay, da hast du den Schalter“. „Ja, die Terz stimmt nicht ganz. Kann man das einstellen?“ Ja, gut, eingestellt. Dann konnte er Melodien mit dem Sequenzer spielen, und dann Schalter hoch und das Ganze eine Terz höher. „Kannst du auch eine Quarte, kannst du auch eine Quinte einstellen?“ Ja, gut, also einen Schalter mit drei Stufen. Daraus ist dann so ein sehr selbstlaufender Kontakt entstanden. Also, das stimmt jetzt nicht so exakt in der historischen Reihenfolge. Aber er war damals in Spandau in der Altstadt in einem leeren Theater.

Das war doch ein ehemaliges Kino, oder?

Ja.

Ja, ich kenne das TD Studio noch in Spandau. Da war nur hinten so ein zweiter Raum, der war voll gefliest. Da stand ein Schlagzeug drin.

Ja. 1974 haben wir in der Friedrichstraße die Firma Projekt Elektronik gegründet. Dann war ich abends, sechs, sieben Uhr in Spandau bei ihm draußen. Wir hatten Pizza, Cola und Technik. Es war die Zeit von Pink Floyd, Ummagumma. Da war das große Konzert in der Eissporthalle. Der Hammer bei Ummagumma war, sie hatten eine Quadrophonie Anlage und sie konnten, Dong, Dong, Dong, Dong, Dong (im Kreis herum) steuern. Das haben wir nicht aus dem Kopf bekommen. Es war eines der ersten Geräte, die wir hergestellt haben, so einen quadrofonischen VCA (Voltage Controlled Amplifier). Wir haben auch diesen VCA im Konzert eingesetzt. Es gab die Konzerte von Radio Luxemburg in L‘orange. Alle Gruppen, die in Europa auf Achse waren, waren drei Tage in L’orange. Ab 19 Uhr abends jede Stunde eine Band. Bis zwei Uhr nachts. Ich war auch ein- oder zweimal mit dabei. Wir hatten den VCA, glaube ich, auch noch eingesetzt, aber dann kam jemand von der Sicherheit und sagte: „Ihr müsst es ausmachen, es geht da Besuchern nicht gut.“ Weil Schwindeleffekte entstanden.

Und jedenfalls in Spandau war die Zeit noch vor den großen Synthesizern. Er hatte aber schon den großen Moog. Ich habe für Christoph erst Rhythmusmaschinen gebaut. Diese hatten dann schon die ersten VCAs, auch die ersten Spannungsgeber. So ähnlich wie die Time Control von Moog. Die Time Control von Moog hatte aber einfach Potentiometer für grob und für fein. Wir haben Module hergestellt, die schon fest einstellbare Stufen hatten. Eins, zwei, drei, vier, fünf Oktaven, die sehr genau eingestellt werden konnten.

Also schon quantisierte Sequenzer?

Ja, quantisiert. Also nur in Stufen wählbar. Über fünf Oktaven und zwölf Halbtöne. Man konnte dann während des Spielens ganz gezielt vorgeben: „Ich gehe um so und so viele Halbtöne, und so viele Oktaven weiter (transponieren). Ohne zwischendurch die Harmonie zu verlieren. Das war ein großer Fortschritt. Für Christoph war es wichtig, dass er ganz lange Taktgeber hatte (Sequenzer mit vielen Schritten). Das haben wir dadurch erreicht, dass er zwar Sequenzer mit acht Reihen hatte, aber er konnte sie umschalten. Die ersten acht, die zweiten acht. Wir hatten teilweise zwei und drei solche Einheiten, die in Reihe geschaltet werden konnten. Also, die ersten acht oben, die zweiten acht unten, die dritten acht beim zweiten oben, die vierten acht beim zweiten unten. Dadurch kamen ganz lange Sequenzen zustande. Das war wieder etwas, wo alle sagten: „Oh, wie geht das?“ Die Insider wussten ja, es ist ein Achter-Schema (basierend auf den Sequenzern von Moog mit acht Schritten je Reihe).

Also, der erste Sequenzer, der hier so bekannt wurde, war neben denen von Moog, der Sequenzer Synthanorma von Matten & Wichers. Das war so der „Kraftwerk Sequenzer“, den aber auch schon zum Beispiel Tangerine Dream hatten.

Ja, ich weiß nicht, ob der Wolfgang Palm (PPG) auch sowas hatte. Ich meine ja.

Der Palm hat auch Sequenzer gebaut, aber die waren trickreicher als die Moog Sequenzer.

Ja, Moog war die Grundlage. Moog (Bob Moog) hat überhaupt erst mal eine Idee in den Raum gesetzt: „Ich kann achtmal hintereinander einen beliebigen Ton erzeugen.“ Genauigkeit und wie gut das stimmt, das war später gefragt. Man konnte Dong, Dong, Dong, Dong, Dong, Dong einstellen. Und da waren alle schon hin und weg. Das nächste war, mehrere Sequenzen sehr genau einstellen zu können, sie in verschiedenen Stücken abzurufen. Wenn vier Achter Gruppen eingestellt waren, konnte man die eine Achter Gruppe immer laufen lassen, oder erste, zweite Achter Gruppe. Oder erste, dritte. Oder erste, zweite.

Na das ist ja eben die „Kunst des Sequencing“, dass man eben auch verschiedene lange Sequenzen gegeneinander laufen lässt und die treffen sich ja trotzdem irgendwann an einem Punkt. Das ist ja das, was der Michael Hoenig in seiner Musik praktiziert hatte. Er hat ja damals Sequencer sehr intensiv eingesetzt und war auch für kurze Zeit bei Tangerine Dream.

Genau.

Also mit Christoph Franke ging es bestimmt ein halbes Jahr, wo wir in Spandau jede Nacht gearbeitet haben. Bin wieder nach Hause gegangen und entweder habe ich die Geräte mitgenommen oder gleich etwas umgebaut. Oder dann war klar, ich musste wieder ein Modul bauen, was da reinpasst und so weiter. Es begann auch schon, nicht mehr so viele Patchkabel einzusetzen, sondern mit bestimmten Voreinstellungen zu arbeiten. Wo kommt eine Signalquelle her und wo soll sie hingeführt werden.

Da wäre ja das passende Stichwort „Bussystem“. Dass im Grunde genommen die Module intern schon verschaltet sind. Und man nur einen Schalter umlegen braucht, um Effekte zu erzeugen. Ja. Es gab ja dann auch eigentlich diese Funktion dieses Multitriggers pro Schritt. Also dieses berühmte Ratcheting. Wo ja noch heute die Leute drauf abfahren.

Ich weiß, dass das ein Problem war, erst mal zu verstehen, was Christoph haben wollte. Also, irgendjemand hat in der Musik den Impuls dafür gesetzt, einen Trigger. Und dann sozusagen das Vielfache Echo hinterher, alles einstellbar. Es war damals mit der Hauptpunkt, was in Spandau erstellt worden ist. Es ging um diesen Multitrigger je Note oder je Schritt im Sequenzer.

Ja, das hat ja auch kein anderer gemacht. Das ist schon eure Erfindung.

Weiß ich nicht. Ich habe ja in der Musikszene so wenig Kontakt gehabt.

Christoph war eben ein extrem musikalischer Mensch, der auch sehr neugierig war und Lust darauf hatte, die Dinge weiter voranzutreiben.

Ja, Christoph war neugierig, beziehungsweise der hat einfach Ideen produziert. Das ist jemand, der immer etwas Neues entwickelt. Das ist so ein Bild, wenn man jemanden in der Art erlebt. Es war auch einfach von der Chemie her gut. Für mich war das so, ich war dann hier raus aus dieser physikalischen, technischen Ebene. Für mich war die Musik eben eine völlig neue Ebene. Auch zusammen mit diesen Musikern, insofern war ich in zwei Welten zuhause. Aber ich war teilweise auch ziemlich fertig, muss ich zugeben. Aber es ist gut ausgegangen.

Sind Sie denn auch Tourneebegleiter gewesen für die Technik? Um als Mann im Hintergrund da zu sein, wenn irgendwas schief geht? Oder war das auf gut Deutsch gesagt einfach so zuverlässig, dass man sagen kann: „Geht mal damit los“.

Ich bin mit nach L‘orange gefahren, mit nach Marseille zu einer Tournee. Dann teilweise direkt mit auf dem Truck. Wir sind zu dritt mit dem Equipment Richtung Südfrankreich gefahren. Beim nächsten Mal auch noch nach Marseille. Da kam noch hinzu, weil ich die Firma Projekt Elektronik hier hatte, konnte ich Tangerine Dream ein Carnet geben. Das Carnet ist praktisch das Begleitpapier für den Zoll. Alles was an Technik eingeführt wird, muss man beim Ausführen wieder nachweisen, ob es noch vollständig vorhanden ist. Das war möglich, weil ich eine GmbH hatte. Ich habe sozusagen über das Carnet für Tangerine Dream gebürgt. Das war, glaube ich, bei der Amerika Tour dann auch so. 1977 war die Amerika Tournee und zu der Zeit war auch schon der Big One (das erste große System von Projekt Elektronik für Peter Baumann) fertig. Ja, da fragten sie mich, ob ich nicht mit nach Amerika wollte. Ich müsste halt einen Schraubenzieher mitnehmen, einen Lötkolben und ein Messgerät. Ja, es war für sie halt eine Beruhigung. Das waren so die drei Ereignisse, bei denen ich dabei war. Bei weiteren Tourneen war ich nicht dabei. Vieles habe ich jetzt erst aus Edgars Biografie erfahren. Diese sechs Wochen Amerika waren für mich sehr gut.

Woraus das Live Doppelalbum Encore hervorgegangen ist.

Ja. Ich weiß. 76 ist der große Synthesizer für Peter Baumann fertig geworden. Bei Peter Baumann war es so, er kam schon mit sehr viel ganz klaren Ideen, wie ein komplexeres Gerät, was schnell zu bedienen und live zu bedienen ist, auszusehen hatte. Er hatte ein Riesenbild im Kopf. Oft auch bis ins letzte Detail.

Also, die beiden Systeme waren nicht identisch? Christoph hat ein anderes gehabt?

Ja, sie waren unterschiedlich. Bei Christoph war es damals mehr eine Rhythm Box, die ich hergestellt habe. Es kam auf diese Echos und Rhythmusschläge an, sie beliebig lang zu gestalten und die Sequenzen auch jederzeit umprogrammieren zu können. Bei Peter, ich habe doch hier ein Bild vom Peter. Da ist doch noch ein Bild (blättert in einem Buch). 1977, Greek Theatre in L.A., ja, das sind die Bilder, die hat mir TD mal zur Verfügung gestellt.

Ja, das ist auf der Website.

Ja, genau.

In L.A. war es der große Auftritt. In L.A. fuhren sie vorne im großen Auto. Der Staff (also wir) fuhren dann mit Abstand hinter her. Oder am Abend nach dem Konzert, weiß ich noch, abends um elf plötzlich berühmter Besuch, der sich gefreut und gratuliert hat. Die Amerikaner freuen sich riesig, wenn jemand Erfolg hat. Beim Konzert, da tauchte Gott und die Welt auf. Da habe ich dann auch gesehen und erlebt, wie berühmt Tangerine Dream gewesen ist.

Man hat es ja gesehen, als Edgar Froese gestorben ist, wie die deutsche Presse reagiert hat und wie das International bedauert worden ist. Aber so war das schon immer. Auch Klaus Schulze ist erst in Frankreich berühmt geworden bevor er in Deutschland bekannt wurde. Und für Tangerine Dream war durch Virgin Records der erste Hype in England, bevor sie hier bekannter wurden.

Ja, auch aus England habe ich sehr viel Feedback bekommen. Viele Musiker, die zum Beispiel 1977 in Amerika dabei waren, waren Engländer, die selber Musik gemacht haben. Vor eins, zwei Jahren habe ich von Ed Buller eine tolle Mail bekommen, wo er schrieb: „Ja, schau mal, was wir haben.“ Sie haben solche Geräte auch in England gebaut. Natürlich auch pechschwarz, dieselben Schemen…”

Bernd Kistenmacher FERNE ZIELE – Geschichten über die Berliner Schule für elektronische Musik

Deutsche Erstausgabe Mai 2023

Copyright © dieser Ausgabe und aller Texte: Bernd Kistenmacher, Edition Mahlstrom, Berlin

Artikelnr. des Verlages: EM 10001

Seitenzahl: 793

Email: service@edition-mahlstrom.de

Satz, Druck und Bindung: Druckhaus Sportflieger, Berlin

Printed in Germany

ISBN 978-3-00-075096-0

Bezugsquelle: https://www.edition-mahlstrom.de/

Über den Autor:

Bernd Kistenmacher, geb. Oktober 1960 in Berlin, lebt und arbeitet seit seiner Geburt in Berlin und bezeichnet sich selbst als „Mauerkind“. Hauptberuflich ist Bernd Kistenmacher Musiker, der im Bereich der elektronisch-symphonischen Musik arbeitet. Bereits 1984 hat er sein erstes Solo-Album „Romantic Times“ auf Kassette veröffentlicht. Weitere Solo-Alben auf Kassette, LP und CD sind gefolgt. Sein Oeuvre umfasst mehr als dreißig Alben. Seinen Backkatalog findet man heute auf der Internet-Plattform „Bandcamp“. Immer wieder hat Bernd Kistenmacher Konzerte im In- und Ausland gegeben; vorzugsweise in Planetarien, weil diese die ideale Infrastruktur für seine Musik bieten.

Bernd Kistenmacher hat 1986 sein erstes Label Timeless Sounds gegründet, dass in den darauffolgenden Jahren in Musique Intemporelle umbenannt wurde und heute unter dem Namen MIRecords firmiert. Früher veröffentlichte das Label zahlreiche Künstler aus dem Bereich der elektronischen Musik, so auch Klaus Schulze, Manuel Göttsching, Michael Hoenig, Agitation Free, Rolf Trostel und viele andere. Heute veröffentlicht Bernd Kistenmacher auf MIRecords ausschließlich eigene Produktionen.

Bernd Kistenmacher war der erste unabhängige Produzent, der Mitte der Neunziger Jahre und vor dem Siegeszug des Internet die Multimedia-Produktion „The M.I. Rainbow Collection“ produziert und veröffentlicht hat. Schon damals interessierte ihn die Verbindung aus unveröffentlichter Musik und Bereitstellung von Hintergrundinformationen über die jeweiligen Künstler mittels integrierter Datentracks. Damals ein absolutes Novum.

Heutzutage ist Bernd Kistenmacher als freier Autor für diverse Musikmagazine und –Plattformen tätig. 2020 hat er seinen eigenen YouTube Kanal „Freak Out Your Synth“ aufgebaut, auf dem er ausgewählte Synthesizer in Bild- und Ton vorstellt.

FERNE ZIELE – Teil 5 – Michael Hoenig

An dieser Stelle werden exklusiv Auszüge aus Bernd Kistenmachers Buch “FERNE ZIELE – Geschichten über die Berliner Schule für elektronische Musik” veröffentlicht. Diese Aktion soll dabei helfen, dieses beinahe 800 Seiten starke Werk besser kennenzulernen und darauf neugierig zu machen. Ihr dürft euch also auf eine Menge spannender und interessanter Geschichten rund um die Berliner Schule für elektronische Musik freuen.

Weiter geht es mit einem Auszug aus einem Gespräch mit einem meiner großen Berliner Schule Helden, dem Komponisten Michael Hoenig.

Der Meister des Sequencing. Michael Hoenig ca. 1976 im Studio

Von Berlin nach Hollywood – Ein Gespräch mit Michael Hoenig

Michael, bevor wir in Dein Leben tiefer eintauchen, gehen wir vielleicht zum Anfang zurück. Ich wusste gar nicht, dass du in Hamburg auf die Welt gekommen bist?

Ja, ich bin in Hamburg geboren. Beide Seiten meiner Familie hatten im Krieg alles verloren. Mein Vater fand nach der Gefangenschaft 1950 Arbeit in Hamburg. Die Eltern waren also ökonomische Berlin-Flüchtlinge, zogen aber 1955 zurück nach Berlin.

Und da habt ihr dann in der Dernburgstrasse gewohnt?

Richtig, wir zogen in die Dernburgstrasse in Charlottenburg, sozialer Wohnungsbau, eine schöne Gegend nahe dem Lietzensee. In einer Zeit, in der sich viele Familien noch Wohnraum teilten, hatte ich bereits mein eigenes Zimmer.

Und wie bist du zur Musik gekommen? Waren deine Eltern musikalisch? Haben die irgendwie dich beeinflusst?

Von Musik war nie die Rede. Ich habe erst viele Jahre später erfahren das mein Ur-Ur-Urgroßvater angeblich einer der Gründer der deutschen Musikergewerkschaft war. Ich weiß aber keinen Namen. Und da waren auch Verbindungen zu Musikern und Schauspielern in der Familie die mir aber totgeschwiegen wurden…es war meiner Großmutter immer unangenehm.

Wie kamst du zur Musik?

Ich habe nie ein Instrument gelernt und hatte eigentlich keine musikalische Ausbildung. Als Teenager interessierte ich mich zwar für Kunst, Photographie und Theater, Klassik war aber irgendwie verpönt. Ein Besuch bei der Dokumenta IV 1968 rüttelte dann irgendwas wach, besonders ein Konzert in dem 7m x 7m Lichtwürfel von Geldmacher-Mariotti. In Berlin gab es zu der Zeit eine sehr lebendige Musik- und Kunst-Avantgarde, die anfing mich zu interessieren.  Irgendjemand schleppte mich 1969 oder 1970 in das Studio in der Pfalzburger Strasse. Thomas Kessler leitete dort u.a. das Berliner Scratch Orchestra. Das war eine Gruppe aus Musikern und totalen musikalischen Laien basierend auf den Prinzipien von Cornelius Cardew’s Londoner Scratch Orchestra. Dort, was wir alle nicht wussten, spielte damals auch Brian Eno mit. Das Scratch Orchestra war eine Idee, bei der Musiker und Amateure zusammen versuchten abstrakte Ideen in Klang umzusetzen. Also, man stelle sich vor, eine typische Anweisung war zum Beispiel: …die ganze Gruppe geht nach draußen, alle setzen sich unter einen Baum, dann spielt jeder was er von dem Baum fühlt. Eine wunderbar abstrakte Herausforderung die noch heute genauso interessant ist wie damals.

Da wurde ja schon ein bestimmtes Ziel vorweggenommen?

Jetzt stell dir vor: Da sind Hausfrauen, Berliner Symphoniker, Hippies, Musikstudenten und irgendwelche Leute aus der Nachbarschaft, klassische Instrumente und mitgebrachte Klangerzeuger wie Kochtöpfe oder sonstige Klangerzeuger…. es gab ein Tonerlebnis, das keiner sich hätte vorstellen können. Ich fand es fürchterlich aufregend und die Erfahrung hat einiges ins Rollen gebracht.

Du hast ja vorher so ein Magazin oder ein Heft gemacht. LOVE?

Das war 68/69. LOVE war eine Idee von Frank Schickler. Der hatte einen Posterladen in der Mommsenstrasse in Charlottenburg. LOVE war glaube ich die erste Hippie Zeitschrift in Deutschland. Es ging hauptsächlich darum die damals besten Artikel oder Thesen von Village Voice, East Village Other oder dem San Francisco Oracle zu übersetzen. Ich habe Frank dabei bestenfalls ein wenig geholfen.

Also es kam von der amerikanischen Westcoast?

Es waren Artikel und Essays der Beat-Generation und der frühen Hippies, alles was uns inspirierte. Es gab auch Original-Beiträge aus Europa. Das war einfach eine wichtige Initiative als die ganze Acid-Bewegung verkrustete Denkweisen in Frage stellte, es ging um Bewusstseinserweiterung und gesellschaftliche Befreiung.

Also nicht so in Richtung Studentenrevolution?

Im Rückblick war das alles sehr politisch, aber nicht im Sinne der linken Studentenbewegung, sondern mehr im politischen Sinn der amerikanischen Beat-Generation. Die Linke Welle, die damals in Berlin lief, war quasi eine zweite Schiene, auf der wir alle auch parallel liefen.

Wo bist du damals in die Schule gegangen?

Nach dem Schiller Gymnasium war ich in der Hildegard-Wegscheider Schule im Grunewald, das einzige Berliner Gymnasium, das einen Sozialwissenschaftlichen Zweig hatte. Das interessierte mich in der Oberstufe mehr als Latein.

Du hast dein Abitur da gemacht?

Ja. Wie kann ich dir nicht mehr sagen, aber ich habe es mit sehr guten Noten bestanden. In der Schule waren auch Michael Günther (Fame) und Christian Kneisel, mit dem ich übrigens im gleichen Mietshaus in der Dernburgstrasse aufgewachsen bin.

Ach ja, da haben ja etliche gewohnt, oder? Mickie Duwe auch…

Ja, Duwe hat einen halben Block weiter gen Lietzensee gewohnt. Aber Christian Kreisel wohnte in dem gleichen Haus wie ich, eine kleine Welt.

Du warst jetzt aber durch Fame bei Agitation Free gelandet?

Richtig, über das Scratch Orchestra hatte Musikmachen für mich angefangen. Thomas Kessler hat mir dann beigebracht mit Tonbändern zu arbeiten und zu schneiden. Daraus entwickelte sich mit Tape Loops zu experimentieren und mit einfacher Elektronik, die Thomas damals ansammelte. Ich konnte das Studio oft nutzen, wenn es leer war. Ich bastelte dann an Kontaktmikrophonen, sammelte exotische Instrumente in Trödelläden und fing an eigene Elektronische Klangerzeuger zu bauen. Agitation Free, Tangerine Dream und Ash Ra Tempel haben im gleichen Studio geprobt, und langsam kam man sich näher. Edgar Froese kannte ich bereits seit einigen Jahren durch Frank Schickler. Eines Tages fragte mich Fame auf dem Schulhof: “willst du nicht mal bei uns mitmachen?“ Das führte dann zum ersten Konzert mit Agitation Free in der TU-Mensa gemacht. Ich habe da nur mit Tape-Loops und einer verstärkten Zitter experimentiert, …das lief irgendwie so gut, dass alle zusammen weitermachen wollten.

War da noch Christopher Franke am Schlagzeug?

Das war etwa 2-3 Wochen nachdem Christoper von Agitation Free zu Tangerine Dream gewechselt ist. Lüül und Fame suchten irgendwie eine neue Richtung

Aber vorher hatte Klaus Schulze ja da noch getrommelt.

Vor Christoph hatte Klaus bei TD getrommelt. TD hatte immer stetig wechselnde Besetzungen. Aber soweit ich mich erinnere blieben all diese Leute anfangs freundschaftlich verbunden. Mein erstes Konzert mit Agitation Free war ohne einen Schlagzeuger. Ein paar Wochen später brachte Klaus Schulze dann Burghard Rausch zu einem Probetermin ins Beat Studio.

Burghard hat ja in Steglitz gewohnt.

Ich kannte Ihn eigentlich als DJ im Sun und im Park, damals Berlins beste Underground Clubs. Seit diesem Probetermin spielte Burghard dann bei Agitation Free mit. Mit Burghard hänge ich übrigens momentan fast täglich über FaceTime zusammen und versuche ihm Pro Tools beizubringen.

Ich habe ja mit ihm gesprochen, wir kennen uns ja auch ziemlich gut mittlerweile und er war super happy das er jetzt endlich zuhause produzieren kann. Das war irgendwie so etwas, was er wohl schon lange vermisst hat.

Er hat nie mit Software gearbeitet, und Pro Tools hat eine steile Lernkurve.

Das ist aber auch egal, ob du jetzt mit Pro Tools oder Cubase oder was auch immer einsteigst. Du musst dir schon ganz schön viel Zeit nehmen.

Du musst dir Zeit nehmen, alle DAWs wollen alles können, und es ist mittlerweile recht komplex,

Du warst dann bei Agitation Free dabei und ihr seid aber immer noch im Beat Studio gewesen?

Wir probten regelmäßig in der Pfalzburger Strasse bis wir 1973 in Frank Burkner’s Multimedia-Studio umzogen. Tommy Kessler als de facto Leiter des Beat Studios forderte und förderte alle die daran interessiert waren. Er überraschte mich mit permanent neuen Herausforderungen und war ohne Zweifel mein wichtigster Lehrer. Ich denke das was immer später als Berliner Schule beschrieben wurde, oder besser gesagt was ich bis heute darunter verstehe, wurde von Thomas mitinitiiert und maßgeblich geformt. Weniger gestaltet aus einer bestimmten Vision, sondern durch seine unglaublich positive Energie Menschen herauszufordern und zu inspirieren, Ihnen neue, idiosynkratische Ideen nahe zu bringen, sie zu provozieren und anzuregen so das alle ein bisschen mehr nachdenken mussten. Meiner Meinung nach war Thomas Kessler für uns alle der Katalysator schlechthin.

Das sieht er in seiner Bescheidenheit eigentlich überhaupt nicht so. Aber er war wahnsinnig gerührt, dass ich ihn befragt habe. Und ja er ist ein super netter Mensch. Das muss ich auch sagen.

Ein großartiger, wirklich netter Mensch; er hat uns alle unmerklich in Richtungen geschoben, die wir noch nicht kannten. Auch die diversen Einflüsse durch die vielen unterschiedlichen Talente, die er ins Studio brachte, haben viel bewirkt. Da waren Rockmusiker, Klangkünstler, Literaten, Komponisten und Avantgarde-Musiker, eine wunderbare Mischung von Autodidakten und Akademikern, und manchmal auch Gäste des DAAD’s. Wir arbeiteten damals schon mit zyklischen musikalischen Pattern, und Thomas war der Erste, der uns auf die Parallelen mit der Amerikanische Minimal Music hinwies.

Eine Geschichte ist bei mir noch deutlich hängengeblieben: Eines Tages kam er in den Probenraum und sagte: „Heute mal was ganz Anderes, ich spiele euch ein Stück vor und bitte versucht es mal nachzuspielen.“ Sowas machten wir eigentlich nie, wir improvisierten ausschließlich, bewusst jedes Mal anders. Er sagte nichts über den Ursprung, aber das Stück hatte vage Parallelen zu unserer damaligen Musik. Wir versuchten also unser Bestes und Thomas nahm es auf für eine nachfolgende gemeinsame Kritik.

Das Stück war Church of Anthrax von John Cale und Terry Riley. Wir waren alle ziemlich verblüfft, denn es gab bis dahin für uns keine Parallelen bei denen Rockelemente, sich wiederholende Pattern und Elektronik zusammenarbeiteten.

Thomas Kessler hat euch an die Elektronik gebracht?

Elektronik tauchte zu der Zeit an vielen Ecken der Avantgarde auf. Wir spielten alle in diversen Ad-Hoc Gruppen die oft mehr oder weniger komplexe Elektronik mit einbezogen, z.B. mit Ladislav Kupkovič oder Friedhelm Döhl. Dann brachte Thomas den ersten EMS Synthi A nach Berlin.

Er sagte, dass er extra nach England gefahren ist und von seinem Geld hat er das Ding gekauft und hat den dahingestellt und alle haben gestaunt.

Zwei Wochen später sind Lüül und ich nach England gefahren und haben für Christopher Franke und mich je einen Synthi A gekauft, damals noch direkt bei Peter Zinovieff in Putney…und Lüül kaufte eine VOX Orgel-Gitarre. Das war 1971. Aber Thomas war allen voran.

Also wie gesagt, er meinte, er hat den besorgt und der steht auch noch bei ihm heute zuhause.

Ja, meiner steht auch noch bei mir, das einzige analoge Instrument, das ich behalten habe. Thomas brachte dann eines Tages Peter Michael Hamel ins Studio, ein Komponist der auch bei einer Gruppe namens Between spielte. Nachdem er einmal mit Agitation Free probte schlug er vor: „mein Verleger, der Schott-Verlag, startet gerade das neue Label Music-Factory zusammen mit Phillips/Vertigo. Ihr solltet da eigentlich mal eine Demoaufnahme machen.“

Nach einigen informellen Kontakten gab es dann im Mainzer Schloss ein Shoot-Out Konzert. Die ganzen Bonzen von Philipps und mehreren anderen Labels wollten hören wer auf das Label soll.  Wir haben damals total frei improvisiert und das Resultat war immer ein Vabanque-Spiel. Nach dem Konzert hat uns Peter Hanser-Strecker vom Schott Verlag dann tatsächlich einen Vertrag angeboten. Das haben wir letztendlich Peter Michael Hamel zu verdanken, der uns mit dem Label in Kontakt gebracht hat.

Ich muss mal eine technische Frage dazwischenschieben, weil mich die brennend interessiert. Wer ist auf die Idee gekommen die Revox A77, als Echogerät zu benutzen?

Meine frühen Loop Experimente mit Agitation Free basierten bereits auf dem Prinzip mit multiplen Tonköpfen. Ich habe damals im Studio immer mehrere Revox-Maschinen als Delay zu benutzt, aber Thomas Kessler hat uns im Beat Studio gezeigt wie man die Geschwindigkeit der Revox modifizieren kann.

Live habe ich bis 1974 immer ein Dynachord-Echochord benutzt. Terry Riley war meines Wissens der Erste der das Live mit der Revox bei Rainbow in Curved Air machte.

Ich frage deshalb, es gab und erstaunlicherweise gibt es das immer noch, das Studio Hofschneider in Zehlendorf.

Hofschneider war ein ausgefallener Techniker, der sehr an Musik interessiert war. Er baute uns allen die Revox Geschwindigkeits-Regler mit einer präzisen analogen Anzeige.

Ja, und er hat selber ein Modular-System gebaut, und zwar das SYNLAB.

Richtig, das war damals für die Folkwang Hochschule in Essen.

Ist er auf euch zugekommen oder wie ist da der Kontakt entstanden?

Er hatte die Lautsprecher für die Philharmonie gebaut, der Kontakt kam denke ich auch durch Tommy Kessler oder Christoph, ich erinnere mich aber nicht mehr genau.

Na, wenn das so wäre, dann hätte Thomas Kessler einen Wahnsinns Einfluss gehabt, oder? Also, was der für Leute dann zusammengebracht hat, ist ja schon magisch.

Wie schon gesagt, Tommy war meiner Meinung nach der wichtigste Einfluss für uns alle im Studio in der Pfalzburger Strasse. Ich denke das würden auch Edgar Froese und Christopher Franke heute bestätigen. Er hat einigen von uns Türen zu neuen musikalischen Welten geöffnet.

Und weshalb ist Agitation Free damals kaputtgegangen? Oder bist du nur ausgestiegen?

Ich denke das war eine Kombination aus Gruppendynamik und musikalischer Richtungssuche. Wir hatten diese Platten gemacht, aber haben nie ein einziges Stück dieser Platten jemals Live gespielt. Es sollte immer freie Improvisation sein, wir haben uns bestenfalls an Motive angelehnt. Und das war manchmal großartig und manchmal relativ mittelmäßig, was zu endlosen Diskussionen führte. Es gibt dazu eine wunderbare Dokumentation. Alfred Bergmann, ein Autor und Freund der Gruppe hat unsere Proben und Diskussionen damals bei einem zweiwöchigen Aufenthalt auf einem Bauernhof mit Tonband aufgezeichnet. Daraus ergab sich dann ein SFB Hörspiel: “Agitation Free – Portrait einer Musikgruppe”. Das ist noch heute ein interessanter Einblick in genau das was die Gruppendynamik damals ausmachte. Wir haben manchmal 20 Minuten gespielt und zwei Stunden darüber diskutiert.

Oh, das ist ja grauenhaft.

Keineswegs, es war einerseits großartig, weil das uns alle zu besseren, toleranteren Typen gemacht hat, aber andererseits auch sehr schwierig, weil wir nicht genügend geschult waren komplexe musikalische Probleme zu analysieren, bzw. unsere Partner immer genügend zu respektieren. Es ist noch heute witzig sich dieses Hörspiel anzuhören.

Ja, es wäre schön, wenn du mir das zuschicken könntest.

(Anmerkung: Der Autor hat das Hörspiel bekommen, er hat Alfred „Bergi“ Bergmann ausfindig gemacht und er war von dem Hörspiel dermaßen begeistert, dass er in Zusammenarbeit mit Alfred Bergmann eine Abschrift des O-Tons in dieses Buch übernommen hat)

Gut das war ja schon 75, oder?

Nein, ich denke das war 1973.

Warst da schon bei Agitation Free raus?

Ich hörte 1974 bei Agitation Free auf. Mir schien das fortwährende Improvisieren in einer Sackgasse zu landen. Ich wollte eigentlich anfangen an Solokompositionen zu arbeiten. Zur gleichen Zeit kam Klaus Schulze auf mich zu ein Duo zu gründen.

Ja dieses Timewind Projekt. Wie kam es denn zustande?

Klaus sagte: „Komm, lass uns was zusammen machen.“ Wir probten ein paar Monate zusammen und hatten eigentlich sehr viel Spaß zusammen. Das Projekt scheiterte ganz einfach an Richard Branson. Klaus hatte bereits seinen Solovertrag mit Virgin, und Branson sagte damals zu Klaus: „du kannst entweder Timewind machen oder dein Soloprojekt.“ Klaus entschied sich, völlig einsichtig und richtig dafür sein Solovorhaben durchzuziehen.

Hast du denn mit Klaus Schulze aufgenommen? Also habt ihr Stücke gemacht, die ihr irgendwo mal aufgenommen habt? Weil da ist ja nie was veröffentlicht worden.

Durchaus möglich, dass da Zweispurbänder existieren von Proben oder von Konzerten. Bei mir ist da aber nichts.

Ihr habt richtig Konzerte gegeben? Also als Timewind?

Ja, absolut. Wir haben Konzerte u.a. in Brüssel und Paris gespielt. Ich erinnere mich an ein witziges Foto von Klaus und mir in Paris. Das alles passierte innerhalb von nur 3-4 Monaten, und erscheint mir jetzt wie eine flüchtige Wolke.

Und danach warst du im luftleeren Raum?

In der gleichen Woche, als Klaus sich entschied Solo weiterzumachen fragte mich Edgar, ob ich mit TD spielen will. Das war ein fast fliegender Wechsel.

Wie ging das weiter?

Der Plan war eigentlich die nächste Tangerine Dream LP aufzunehmen, aber Richard Branson offenbarte ein neues Problem. Er bestand damals darauf für alle Virgin Artists auch bei ihm in den Verlag zu gehen. Ich hatte jedoch noch den Verlags-Vertrag mit Schott, und die wollten mich nicht abgeben. Damit wurde die LP für mich unmöglich, und wir fingen erst nach Rubicon an gemeinsam zu proben. Das führte dann zu der Tournee durch Australien und dem Konzert in der Royal Albert Hall. Damit endete aber auch TD für mich. Nach dem Konzert in der Royal Albert Hall war mir endgültig klar, dass es mit Bands für mich nicht mehr weitergeht. Ich wollte einfach nicht mehr improvisieren, sondern klar konzipierte Stücke machen, selber machen. 

Und dann, ja wahrscheinlich so Anfang 76 bist du langsam an deine Arbeit für dein Solo-Album gegangen?

In der Woche nach dem Albert Hall Konzert habe ich sofort angefangen an neuem Material zu arbeiten. Klaus Schulze war damals sehr generös und hat mir seine Achtspurmaschine geliehen. Ich habe dann begonnen in der Bamberger Straße aufzunehmen. Es dauerte etwa 10-12 Monate bis genügend Material auf dem Band war….”

 

Bernd Kistenmacher FERNE ZIELE – Geschichten über die Berliner Schule für elektronische Musik

Deutsche Erstausgabe Mai 2023

Copyright © dieser Ausgabe und aller Texte: Bernd Kistenmacher, Edition Mahlstrom, Berlin

Artikelnr. des Verlages: EM 10001

Seitenzahl: 793

Email: service@edition-mahlstrom.de

Satz, Druck und Bindung: Druckhaus Sportflieger, Berlin

Printed in Germany

ISBN 978-3-00-075096-0

Bezugsquelle: https://www.edition-mahlstrom.de/

Über den Autor:

Bernd Kistenmacher, geb. Oktober 1960 in Berlin, lebt und arbeitet seit seiner Geburt in Berlin und bezeichnet sich selbst als „Mauerkind“. Hauptberuflich ist Bernd Kistenmacher Musiker, der im Bereich der elektronisch-symphonischen Musik arbeitet. Bereits 1984 hat er sein erstes Solo-Album „Romantic Times“ auf Kassette veröffentlicht. Weitere Solo-Alben auf Kassette, LP und CD sind gefolgt. Sein Oeuvre umfasst mehr als dreißig Alben. Seinen Backkatalog findet man heute auf der Internet-Plattform „Bandcamp“. Immer wieder hat Bernd Kistenmacher Konzerte im In- und Ausland gegeben; vorzugsweise in Planetarien, weil diese die ideale Infrastruktur für seine Musik bieten.

Bernd Kistenmacher hat 1986 sein erstes Label Timeless Sounds gegründet, dass in den darauffolgenden Jahren in Musique Intemporelle umbenannt wurde und heute unter dem Namen MIRecords firmiert. Früher veröffentlichte das Label zahlreiche Künstler aus dem Bereich der elektronischen Musik, so auch Klaus Schulze, Manuel Göttsching, Michael Hoenig, Agitation Free, Rolf Trostel und viele andere. Heute veröffentlicht Bernd Kistenmacher auf MIRecords ausschließlich eigene Produktionen.

Bernd Kistenmacher war der erste unabhängige Produzent, der Mitte der Neunziger Jahre und vor dem Siegeszug des Internet die Multimedia-Produktion „The M.I. Rainbow Collection“ produziert und veröffentlicht hat. Schon damals interessierte ihn die Verbindung aus unveröffentlichter Musik und Bereitstellung von Hintergrundinformationen über die jeweiligen Künstler mittels integrierter Datentracks. Damals ein absolutes Novum.

Heutzutage ist Bernd Kistenmacher als freier Autor für diverse Musikmagazine und –Plattformen tätig. 2020 hat er seinen eigenen YouTube Kanal „Freak Out Your Synth“ aufgebaut, auf dem er ausgewählte Synthesizer in Bild- und Ton vorstellt.

FERNE ZIELE – Buchmesse Frankfurt – Preiserhöhung

Heute mal ein Post in eigener Sache!

Der Verkauf der dritten Auflage des Buches FERNE ZIELE neigt sich dem Ende zu. Wie man aus dem Bestand ersehen kann, stehen aktuell noch 15 Bücher zum alten Preis von 69 Euro je Buch zum Verkauf bereit. Ab der vierten Auflage wird dann der Preis je Buch  79 Euro zuzüglich Versandkosten betragen.

Das Buch FERNE ZIELE von Bernd Kistenmacher wird im Rahmen der bevorstehenden Buchmesse in Frankfurt auf der Livro-Gemeinschaftsausstellung für Klein- und Selbstverlage zu entdecken und zu begutachten sein. Nähere Infos über Livro gibt es hier. Der Stand von Livro befindet sich in der  Halle 3.0 C97. Die Frankfurt Buchmesse findet vom 18. – 22. Oktober 2023 statt.

Die angekündigte Preiserhöhung tritt mit Beginn der Frankfurter Buchmesse in Kraft. Wer also das Buch noch zum alten Preis erwerben möchte, sollte es bis zum Dienstag, den 17. Oktober 2023 auf der Website der Edition Mahlstrom bestellen.

 

Verkaufsstatus Bandcamp
Verkaufsstatus Edition Mahlstrom

FERNE ZIELE – Teil 4 – Thomas Kessler – Electronic Beat Studio

 

An dieser Stelle werden exklusiv Auszüge aus Bernd Kistenmachers Buch “FERNE ZIELE – Geschichten über die Berliner Schule für elektronische Musik” veröffentlicht. Diese Aktion soll dabei helfen, dieses beinahe 800 Seiten starke Werk besser kennenzulernen und darauf neugierig zu machen. Ihr dürft euch also auf eine Menge spannender und interessanter Geschichten rund um die Berliner Schule für elektronische Musik freuen.

Weiter geht es mit einem Auszug aus einem Gespräch mit dem Gründer des Electronic Beat Studio, dem Komponisten Thomas Kessler.

Im Zentrum der Möglichkeiten. Der Komponist Thomas Kessler

Im Zentrum der Möglichkeiten – Ein Gespräch mit Thomas Kessler

…Es geschah in Berlin unheimlich viel. Es war für mich in meinem Alter eher selbstverständlich. Genau deshalb war ich nach Berlin gekommen.

Du bist gebürtiger Schweizer und hast dort auch deine Ausbildung bzw. Studium gemacht?

Ja. Ich habe meine ersten zwölf Jahre in Zürich verbracht, bis nach der Grundschule. Dann haben mich meine Eltern in ein Internat gesteckt, weil ich ein bisschen wie das schwarze Schaf war in der Familie. Sieben Jahre verbrachte ich dann also in einer Klosterschule in den Bergen in Disentis. Ich würde es niemandem empfehlen, aber ich habe das Beste daraus gemacht. Ich sang jeden Sonntag gregorianischen Choral, es gab also auch einige Dinge, die durchaus sehr gut waren.

In Hinsicht auf Charakter- oder auch fachlicher Bildung?

Auch Freundschaften sowie die strenge Hausordnung, die man stets versucht hat, zu durchbrechen. Ich habe dort also gelernt, wie man Grenzen überschreitet, Aus- und Umwege gesucht und andere Ziele verfolgt. Etwas was später auch in der Musik so geblieben ist. Ich habe im Kloster noch mein erstes Stück komponiert für die Blasmusik zum Geburtstag des Pater Godehard, der hat immer auf uns aufgepasst. Ich hatte mir dann beim Komponieren gedacht, dass es für die Blasmusik so kräftig sein sollte, wie es sonst nie war. Da sollte noch etwas passieren, was noch einen Akzent gibt zur Eröffnung des Geburtstages. Am Ende des Tischgebetes zum Frühstück, vorher durfte man nicht sprechen, hat Pater Godehard jeweils mit dem Glöckchen geklingelt und das bedeutete, dass wir von dort an reden durften. Es ist ganz interessant, was dort passiert an Kommunikation, ohne dass man spricht. Kurz nach dem Tischgebet dachte ich mir, jetzt ein Böllerschuss und dann fängt die Musik an zu spielen, aber wie bekomme ich einen Böller hin, der richtig knallt wie einen Schuss? Ich hatte keine Erfahrung. Im Kloster gab es so etwas nicht. Aber ich konnte aus der Schlosserei mit Sauerstoff, Acetylen und Luftballons eine Ballontraube basteln und auffüllen. Das war eigentlich unglaublich gefährlich, aber naiv wie ich war, habe ich mich mit einer Autobatterie im Klosterhof in Deckung begeben. Dann hörte ich das Tischgebet, durch die Aufforderung meiner Freunde ließen sie die Fenster offen, es war schon beinahe Sommer. Nachdem ich das Glöckchen hörte, hielt ich den Kontakt an die Batterie und dann habe ich viel mehr den Luftdruck als den eigentlichen Knall wahrgenommen. Ebenfalls nahmen 150 Fenster im Klosterhof diesen Druck wahr, indem sie sprangen. Anschließend rieselte von allen Fenstern das Glas herunter. Die Blasmusik hat mit meinem Stück jedoch nicht eingesetzt, die waren völlig schockiert. Langsam erschienen Köpfe an den Fenstern und schauten, was dort passiert war. Es war schrecklich. Das müsste 1956 gewesen sein.

Was aber garantiert a) Die Aufmerksamkeit aller und b) und einen Termin beim Direktor einbrachte, oder?

Nichts, aber auch überhaupt nichts gab es. Man wusste nicht, wo man das einordnen sollte. Natürlich war es für mich ein musikalisches Ereignis und ich glaube, das Kloster hat es auch irgendwie so empfunden. Es wurde keinerlei Strafe verordnet. Ich habe fest damit gerechnet, dort von der Schule zu fliegen. Nachdem ich dort die Schulzeit absolviert hatte mit Abitur, ging ich dann auf die Universität nach Zürich zurück, weil meine Eltern wollten, dass ich etwas Anständiges lerne. Da gab es die Ausbildung zum Lehrer, höhere Stufe. Das war damals an der Uni und man konnte bei den besten Leuten Deutsch, Französisch, Geschichte und Psychologie usw. lernen. Das war ein tolles Studium. Deshalb habe ich auch in einem Seminar den Unterricht bei Paul Hindemith genießen können. Das war faszinierend. Er hat mich auch weiter in die Chormusik hineingebracht. Daraufhin hatte ich in dem Bereich mein Diplom erhalten, die Eltern waren zufrieden und dann ging es ab nach Berlin.

Waren deine Eltern musikalisch?

Meine Eltern waren durchaus musikalisch, aber Musik galt in der Schweiz als kein Beruf, sondern mehr als Hobby oder Zeitvertreib.

Gab es denn keine Orchester oder Dirigenten?

Ja natürlich, sehr gute, aber Berlin war wie eine andere Welt für mich.

Weshalb genau nach Berlin?

Das hängt weitestgehend mit einer damaligen Bekanntschaft zusammen, welche meine erste Frau wurde. Mit ihr habe ich auch meinen Sohn bekommen und dort auch geheiratet. Die Liebe hat mich also dorthin verschlagen. Sie war auch Musikerin und musste in Berlin weiterstudieren. Sie kam auch aus Deutschland, das war alles in allem ein glücklicher Zufall, dass man sich verliebt und dann direkt mitgeht.

Also habt ihr fest in Berlin gewohnt und auch Familie gehabt?

Ja genau, für etwa 15 Jahre am Breitenbachplatz in Dahlem. Ihr Onkel hatte dort ein vollkommen vergammeltes Haus neben seinem Antiquitätenhandel in Bad Homburg. Gleich am Anfang der Schorlemerallee in einem der kubischen Häuser habe ich dort gewohnt. Ich habe an der Hochschule für Musik studiert bei Blacher (Boris Blacher), Hartig (Heinz Friedrich Hartig) und Pepping (Ernst Pepping). Das war eine sehr gute und konventionelle Ausbildung, aber wie ich schon erwähnt habe, waren meine Ideen bereits zu der Zeit auf dem Gymnasium grenzüberschreitend. Für mich waren das wunderbare Grenzen, diese konservative Ausbildung, das klassische, dieser Kontrapunkt und alles. Man muss jedoch erst einmal zu dieser Grenze kommen, bevor man sie überschreiten kann. Man kann nun mal keine Grenzen überschreiten, die man nicht einmal erreicht. In meiner Familie galt ich zwar als schwarzes Schaf, auch wenn ich gar keins war. Ich war der einzige Sohn von sechs Kindern, der sich nie mit den Eltern zerstritten hat oder den Kontakt abgebrochen hat. Alles in Allem waren Kindheit, die Zeit auf dem Gymnasium und die Berliner Zeit tolle Etappen in meinem Leben. Berlin war damals enorm hart, für einen Studenten, den die Eltern nicht unterstützen, weil sie dachten, dass ich ein fertiges Studium hatte und auch in der Schweiz arbeiten hätte können, aber dennoch nach Berlin gegangen war. Sie ließen mich gehen. Das konnte ich machen, aber dafür habe ich keine finanzielle Unterstützung erhalten, was im Nachhinein auch gut gewesen ist. Ich habe dann Kinder an einer Volksmusikschule unterrichtet mit Orff-Instrumenten.

War das alles zur Zeit des Mauerbaus?

Kurz davor. Während ich in den Ferien zu Besuch in der Schweiz war, begannen die Bauarbeiten und als ich dann wiederkam, war die Mauer komplett da. Dadurch wurde Berlin sehr inselhaft. Ich denke, das war auch einer der Gründe, weshalb so viele Gruppen wie zum Beispiel Agitation Free und Tangerine Dream aus diesen Grenzen ausbrechen wollten. Physisch war es schwierig, man musste durch die Zone reisen. Mit dem Zug hat das gut und gerne mal acht Stunden gedauert, was heutzutage eine Stunde dauert. Da wurden noch Lokomotiven umgehängt, teils fuhr der Zug dann eine Stunde lang wieder rückwärts. Das schien ein Gefühl zu schaffen, weswegen man ausbrechen wollte. Da sich dies physisch jedoch recht schwierig gestaltete, versuchte man zumindest in den Musikgenres auszubrechen. Es gab damals fantastische Leute in Berlin. Ich habe zum Beispiel Enzenzberger (Hans Magnus Enzensberger) und vor allem ganz viele Komponisten kennengelernt, die man mit dem akademischen Austauschdienst nach Berlin eingeladen hatte. Von John Cage bis hin zu guten Freunden wie Vinko Globokar, die es bis heute geblieben sind. Eine sehr lange Liste von Leuten, die ich gut kennengelernt habe, da es sonst recht wenige Berliner Komponisten gab.

Kanntest Du auch Konrad Latte?

Konrad Latte, der war damals Leiter der Musikschule in Wilmersdorf gewesen. Ich kannte ihn von seinem Barock Orchester her. Er bot mir damals an etwas im Beat Studio zu machen. Das habe ich auch direkt angenommen.

Entschuldige, dass ich hier unterbreche, aber ursprünglich hat das die Mutter von Christoph Franke initiiert, oder?

Die Mutter von Christopher war eng mit Konrad Latte befreundet. Ich habe sie nie selbst kennenlernen dürfen, aber Christoph war der erste, den ich dort kennengelernt habe. Er hatte von seinen Plänen erzählt, dass das Studio weiter ausgebaut wird, dass Eierkartons angebracht werden. Darauf bauten wir zusammen die Räume weiter aus und ich bekam ein Budget von 10.000 DM, um Tonbandgeräte zu kaufen. Später konnte man da noch einiges dazubekommen. Wenn am Ende des Jahres im Bezirksamt ein Töpfchen noch nicht ganz leer war, gab man das dem Beat Studio.

Das muss ja um 1968 gewesen sein. Wie kann man sich das vorstellen? Durch seine jüdische Herkunft hatte Konrad Latte eine grauenhafte Vergangenheit erlebt.

Das ist wahr. Auch wenn ich seine musikalische Richtung nicht bewundert bzw. geteilt habe, fand ich es dennoch großartig, dass wir zusammen das mit dem Studio gemacht haben. Es war klasse, dass er sich mit seinem klugen Verstand für uns eingesetzt hatte, dass wir die Räumlichkeiten bekommen haben, obwohl er nicht unseren Musikgeschmack geteilt hatte.

Er hatte ursprünglich ein Budget für ein neues Piano oder dergleichen, also eine ganz profane Angelegenheit, aber er hat dieses Budget dann dafür aufgeopfert. Die Räumlichkeiten wurden angemietet,

Das war in einem Schulgebäude in der Pfalzburger Strasse 32 in Wilmersdorf. Christoph Franke hatte dann noch einige Freunde angeschleppt, das waren die späteren Agitation Free Leute. Noch später hatte er Edgar Froese im Schlepptau und so ging die Geschichte weiter, aber das lebte von dem Tag an, als wir dort eingezogen sind und das ausgebaut hatten, einiges installiert haben, da war das ein Treffpunkt. Ich war eigentlich auch noch ein Musikstudent zu dieser Zeit. Ich hatte lediglich mein Diplom als Pädagoge in der Schweiz, das war eine äußerst fundierte Ausbildung. In Berlin war ich Studierender mit bereits einigen Jahren Erfahrung. Ich habe sehr lange studieren können, weil gerade Pepping, der im Kontrapunkt ein Meister und Könner war, mich behalten wollte und mich beinahe davon abgehalten hatte, das Diplom zu machen. Ich habe gleichzeitig zum Studium die Pfalzburger Straße angepackt.

Also war es so, dass jemand daherkommt mit einem Budget und der Frage, ob du Lust hättest, ein Studio aufzubauen?

Ja, so war es.

Und wie geht man dann genau vor?

Ganz intuitiv, indem man auf Freunde hört. Christoph Franke war zwar klassisch vorgebildet, er war ein sehr guter Schlagzeuger. Ich glaube, er hat auch Trompete gespielt. Aber er war noch kein großer Pop- oder Rockmusiker so wie Edgar Froese, sondern er hat neue Wege gesucht.

Er war dann also immer der Klangforscher?

Absolut. Er war immer stark introvertiert. Ich habe ihn sehr geschätzt, weil er so tief dachte. Er ist einmal nach Frankreich mitgekommen, als ich eine Musiktheaterstelle angenommen hatte für eine kurze Zeit und ich vermittelte ihn dann auch an einen Lehrer der hervorragenden Les Percussions de Strasbourg, welche dort sehr bekannt sind. Sie wollten ihn auch nehmen, aber er hat dann abgelehnt. Er suchte seinen eigenen Weg. Ich habe auch gehört, was in Köln los war. Dort war die große Welt, wenn es um elektronische oder auch neue Musik ging. Da gab es auch den Westdeutschen Rundfunk und Studios, doch Berlin war im Gegensatz dazu eine Insel. Hier gab es nicht einmal richtige Tonbandgeräte, die man bedienen durfte. Die Hochschule hatte welche, aber als Student durfte man dort nicht hinein. Im SFB (Sender Freies Berlin) und im RIAS (Rundfunk im amerikanischen Sektor) gab es natürlich auch tolle Tonbandgeräte, aber auch dort war einem der Zugang als Student verwehrt. Sogar John Cage kam zu uns in das Beat Studio hinunter und war dankbar, dass er ein Tonband kopieren durfte, denn wir hatten glücklicherweise immerhin drei gute Geräte mit 38cm Geschwindigkeit.

Aber die technischen Impulse für das Beat Studio hat dann Christoph gegeben? Oder ist das innerhalb einer Diskussion entstanden? Du hast dich dann ja auch in das Thema elektronische Klangbearbeitung hineingearbeitet.

Nein, ich hatte davor bereits ein Studio. Es gibt sogar einen UNESCO-Report von früher von meinem kleinen Privatstudio in Wedding, welches ich in einer Ladenwohnung eines Freundes eingebaut hatte. Mein Bruder kam irgendwann nach Berlin und brachte drei Tonbandgeräte von Revox mit, womit man sehr gut produzieren konnte. Ich habe dort auch einige Stücke gemacht, unter anderem für die Tanzgruppe Motion.

Ein Stück machen bedeutet Noten schreiben oder Musik spielen?

Nein, elektronisch gearbeitet. Also mit Aufnahmen.

Mitte der sechziger Jahre?

Genau. Verarbeitet zu Schleifen und kopiert, mit einem anderen Gerät wieder aufgenommen und zusammengemischt. Weitestgehend war dies Musique Concréte.

Im Grunde genommen hast du frühes Sampling betrieben?

Frühes Sampling, eher Musique Concréte. Ich hatte keine Sinusgeneratoren. Es war sehr dürftig, aber man konnte mit geschickten Griffen sehr viel machen. Es gibt ein Stück, das wird von mir ab und an gespielt, Beat for Orpheus. Das ist eine ganz simple Herstellung gewesen, aber mein Lehrer Boris Blacher war begeistert.

Das waren dann so Sachen, die du im Rahmen deines Studiums gemacht hast? Also hast du in Wedding ein kleines Studio gehabt und warst dadurch vorgebildet, was diese Technik angeht.

Richtig. In dem besagten UNESCO-Report sind alle elektronischen Studios der Welt aufgezählt und sogar mein kleines Privatstudio wurde dort erwähnt.

Da gibt es den Begriff der Berliner Schule für elektronische Musik. Gemeinhin wird das mit den Ergebnissen von Tangerine Dream, Klaus Schulze aber auch Manuel Göttsching verbunden, diese Sequencer-orientierte Musik. Als ich mit Lutz Kramer gesprochen habe, ist er auf einen ganz anderen Aspekt gekommen. Nämlich, dass er die Art des Musizierens und Improvisierens der Band (zuerst The Agitation, dann Agitation Free) fernab von den Rhythmen amerikanischer Pop- und Rocksongs entwickelt und etabliert hatte. Das Element der Improvisation wurde dann bei dir im Studio ja aktiv eingesetzt.

Ja natürlich. Es gibt viele verschiedene Ansätze, es wird nie etwas einzig durch eine Person ausgelöst. Es ist immer eine Zeiterscheinung. Ich war damals eine Zeit lang auch Mitglied in einer Gruppe namens „Neue Musik“, das war die einzige Gruppe von Komponisten von der akademischen Seite, die Konzerte gemacht haben. Wir haben auch Konzerte gemacht, die die ganze Nacht lang gingen. Dort habe ich für ein Konzert die Tangerine Dream eingeladen. Da waren ganz verschiedene Leute, die es uns ermöglicht hatten, ein Konzert voller Improvisationen zu machen. Was als besondere Errungenschaft geschrieben wird, dass während eines Konzertes ein Musiker in New York spielt, der andere in Berlin und der Dritte in Tokio, das setzten wir bereits innerhalb Berlins um. Wir hatten einen wunderbaren Techniker von der Post, der uns Leitungen bereitgestellt hatte, dass wir in einer Kirche, in der Akademie der Künste und noch zwei weitere Orte miteinander vernetzt waren, wodurch wir Improvisationsgruppen von anderen Künstlern und Gruppierungen quasi „live“ dazu holen konnten. Alle konnten, sofern sie wollten, alles von den anderen Gruppen hören und dazu spielen, aber auch die Übertragung der anderen unterbinden und allein spielen. Vor Ort waren der Engländer Cornelius Cardew mit seinem Scratch Orchestra und die Gruppe Nuova Consonanza aus Rom, wo auch Ennio Morricone als Trompeter dabei war und eine weitere Gruppe. Das Publikum konnte mit einem Shuttle-Bus von Ort zu Ort fahren und sich alles überall ansehen und anhören.

Wie kann man sich denn einen „Schulalltag“ im Beat Studio vorstellen, also wie war das organisiert?

Das ging erst abends los, denn am Tag wollte man Ruhe haben, weil oben im Schulhaus Unterricht war und abends ab sechs Uhr konnte man rein. Ab acht Uhr ging es richtig los bis um elf Uhr meist. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass wir jemals eine Art „Torschlusspanik“ hatten. Man hat irgendwann vernünftigerweise aufgehört, aber ich kann mich nicht daran erinnern, dass es überhaupt eine festgeschriebene Zeit gab, zu der aufgehört werden sollte.

Wie sieht es aus mit dem Thema Wissensvermittlung? Du hast manchen ja auch Komposition beigebracht.

Edgar kam irgendwann mal zu mir und meinte, gern Kontrapunkt lernen zu wollen. Ich habe das sehr gut gekonnt und dann kamen einige zum Lernen, was wir jedoch maximal zwei bis drei Mal durchgehalten hatten. Sie wussten dann immerhin, um was es dort geht. Man könnte sagen, es wäre für sie nicht nötig gewesen, aber das beweist, wie offen und neugierig die waren. Aber vor allem, wie ernst sie mich genommen haben. Ich habe sie auf jeden Fall ernst genommen, das haben sie gespürt. Ich habe sie auch immer wissen lassen, wenn irgendwo ein neues Konzert ist, zum Beispiel im Sender Freies Berlin gab es eine neue Aufführung und sie waren begeistert. Die ganzen Einflüsse waren enorm vielschichtig. Ich habe kein Programm gehabt, bzw. musste kein Programm haben.

Also war es kein Schulbetrieb im klassischen Sinne?

Nein, gar nicht. Es war viel mehr ein Übungslokal mit Austausch – ich möchte fast behaupten, ich habe mehr von denen gelernt als anders herum. Viel mehr war ich Freund, Mitfühlender, Mitdenkender, Impulsgeber und ab und zu ideengebend.

Das Beat Studio begann mit Agitation Free?

Das waren die ersten, da war Christoph Franke noch bei denen.

Später wurden es dann vermutlich immer mehr, weil es sich herumsprach. Es gibt diesen viereinhalb Minütigen Mitschnitt der Berliner Abendschau aus dem Beat Studio, den haben mir Lüül und Lutz Kramer gezeigt. In der ersten Hälfte spielte irgendeine Band mit Sängerin und man sieht den Rolf Bauer herumlaufen und Ansagen machen. In der zweiten Hälfte sieht man Fame (Michael Günther) und ein Interview mit Lutz Kramer, da haben dann Agitation Free gespielt. Da sieht man auch die Eierpappen an den Wänden. Das ist ein richtig historisches Dokument. Viel Filmmaterial aus dem Beat Studio gibt es ja nicht. Sie haben dann also ihre eigene Musik im Studio entwickelt? Und dann kamen auch immer mehr Leute dazu, irgendwann später auch Burghard Rausch und Michael Hoenig usw. Mit Michael Hoenig bist du ja enger zusammen gewesen?

Ja, er war vor allem in der Instrumental-Elektronik engagiert. Er war auch sehr bekannt mit Walter Bachauer. Walter kam eher von der akademischen Seite, hatte ein hervorragendes Musikwissen und war offen für Neues. Später organisierte er ja auch die Metamusik Festivals, wo Michael Hoenig sehr involviert war.

Tangerine Dream und Klaus Schulze haben ja auch auf diesen Festivals gespielt. Auf diesen Festivals waren ja so viele internationale Künstler dabei. Das war sensationell. Alles was Mitte der siebziger Jahre Rang und Namen hatte, ist dort aufgetreten. Walter Bachauer war ja auch dafür bekannt, dass er diesen Weltmusikgedanken entwickelt hat, auch wenn es den damals noch gar nicht gab. Er hat tibetanische Mönche eingeflogen, nur um einen anderen Klang hineinzubekommen. Da warst du von der musikalischen Entwicklung her nicht mit involviert, oder?

Doch, durchaus. Es gab zwei Sachen, die ich mir zuschreiben darf. Die erste ist die: Eines Tages kam Earle Brown, ein Komponist, der mit John Cage in Amerika zusammen war, zu mir und brachte mir ein paar Vinylplatten und sagte zu mir, diese Platten seien etwas für mich. Es sei nicht seine Musik. Es waren alles Musterdrucke bzw. Musterpressungen. Auf den Platten waren Terry Riley und Steve Reich zu hören. Die ersten elektronischen Stücke von Steve Reich zum Beispiel Violin Phase, aber auch Terry Rileys A Rainbow in Curved Air. Diese Stücke haben für Furore gesorgt, damit sind sie bekannt geworden. Ich habe mir diese Platten zuhause angehört, habe sie darauf in das Beat Studio geschleppt und das hat etwas ausgelöst. Das war eine Art Initialzündung. Nicht nur für die Leute im Studio, sondern durchaus auch für andere Komponisten wie Peter Michael Hamel. Ich möchte mich nicht hochpreisen, aber ich war der erste, der diese Probepressungen verbreitete. Somit hat man im Beat Studio diese Minimal-Musik von Steve Reich und Terry Riley zum ersten Mal gehört.

Also das ist beinahe schon Ironie, weil die Bands eigentlich „antiamerikanisch“ eingestellt waren und dass sie alles, was politisch aus Amerika kam, ablehnten, aber diese neue Musik aus Amerika nicht.

Musik ist etwas anderes, Musik kennt keine Grenzen. Sie haben ein Feld bereit gemacht, damit dort etwas Neues wachsen konnte, wobei es in dem Sinne überhaupt nicht neu war, Luc Ferrari hat eine Art Minimal-Musik bereits früher komponiert. Dieses repetitive Element war bei ihm auch schon gewesen, bereits vor Steve Reich. Man sollte nicht behaupten, er hätte es erfunden, ich habe ja auch nichts erfunden. Ich war jedoch der glückliche Empfänger dieser drei Schallplatten und war so klug, dieses „Gift“ im Beat Studio zu verbreiten, was später durch ganz Berlin ging… “

 

Bernd Kistenmacher FERNE ZIELE – Geschichten über die Berliner Schule für elektronische Musik

Deutsche Erstausgabe Mai 2023

Copyright © dieser Ausgabe und aller Texte: Bernd Kistenmacher, Edition Mahlstrom, Berlin

Artikelnr. des Verlages: EM 10001

Seitenzahl: 793

Email: service@edition-mahlstrom.de

Satz, Druck und Bindung: Druckhaus Sportflieger, Berlin

Printed in Germany

ISBN 978-3-00-075096-0

Bezugsquelle: https://www.edition-mahlstrom.de/

Über den Autor:

Bernd Kistenmacher, geb. Oktober 1960 in Berlin, lebt und arbeitet seit seiner Geburt in Berlin und bezeichnet sich selbst als „Mauerkind“. Hauptberuflich ist Bernd Kistenmacher Musiker, der im Bereich der elektronisch-symphonischen Musik arbeitet. Bereits 1984 hat er sein erstes Solo-Album „Romantic Times“ auf Kassette veröffentlicht. Weitere Solo-Alben auf Kassette, LP und CD sind gefolgt. Sein Oeuvre umfasst mehr als dreißig Alben. Seinen Backkatalog findet man heute auf der Internet-Plattform „Bandcamp“. Immer wieder hat Bernd Kistenmacher Konzerte im In- und Ausland gegeben; vorzugsweise in Planetarien, weil diese die ideale Infrastruktur für seine Musik bieten.

Bernd Kistenmacher hat 1986 sein erstes Label Timeless Sounds gegründet, dass in den darauffolgenden Jahren in Musique Intemporelle umbenannt wurde und heute unter dem Namen MIRecords firmiert. Früher veröffentlichte das Label zahlreiche Künstler aus dem Bereich der elektronischen Musik, so auch Klaus Schulze, Manuel Göttsching, Michael Hoenig, Agitation Free, Rolf Trostel und viele andere. Heute veröffentlicht Bernd Kistenmacher auf MIRecords ausschließlich eigene Produktionen.

Bernd Kistenmacher war der erste unabhängige Produzent, der Mitte der Neunziger Jahre und vor dem Siegeszug des Internet die Multimedia-Produktion „The M.I. Rainbow Collection“ produziert und veröffentlicht hat. Schon damals interessierte ihn die Verbindung aus unveröffentlichter Musik und Bereitstellung von Hintergrundinformationen über die jeweiligen Künstler mittels integrierter Datentracks. Damals ein absolutes Novum.

Heutzutage ist Bernd Kistenmacher als freier Autor für diverse Musikmagazine und –Plattformen tätig. 2020 hat er seinen eigenen YouTube Kanal „Freak Out Your Synth“ aufgebaut, auf dem er ausgewählte Synthesizer in Bild- und Ton vorstellt.

FERNE ZIELE – Teil 3 – Manuel Göttsching

 

An dieser Stelle werden exklusiv Auszüge aus Bernd Kistenmachers Buch “FERNE ZIELE – Geschichten über die Berliner Schule für elektronische Musik” veröffentlicht. Diese Aktion soll dabei helfen, dieses beinahe 800 Seiten starke Werk besser kennenzulernen und darauf neugierig zu machen. Ihr dürft euch also auf eine Menge spannender und interessanter Geschichten rund um die Berliner Schule für  elektronische Musik freuen.

Weiter geht es mit einem Auszug aus einem der letzten Gespräche mit dem Berliner Gitarristen Manuel Göttsching.

Inventionen auf Berliner Art – Ein Gespräch mit Manuel Göttsching

Gespräch mit Manuel Göttsching vom 23.01.2020

Manuel, Du bist in Westend geboren?

Geboren bin ich in Friedenau. Das ist der südlichste Zipfel von Schöneberg, gar nicht weit weg, wo du jetzt wohnst. Laubacher Straße. Da bin ich die ersten neun Jahre aufgewachsen und dann sind meine Eltern nach Westend gezogen.

Auf welche Schule bist Du da gegangen?

Meine Grundschule in Westend war die Steuben-Schule, in der Westendallee, fast an der Heerstraße.  Später kam ich auf das Erich-Hoepner-Gymnasium. Das ist in der Bayernallee, fast am Theodor-Heuss-Platz.

Waren Deine Eltern musikalisch? Haben die Dich irgendwie an die Musik herangebracht oder hast Du das selber für Dich entdeckt?

Meine Mutter war in ganz jungen Jahren Schauspielerin, hatte Tanz- und Gesangsausbildung, und war so eine Art Kinderstar. Sie hat Theater gespielt, und auch in ein paar Filmen mitgemacht in den Dreißigerjahren. Sie hat dann zwar mit vierzehn, fünfzehn Jahren aufgehört, hat aber immer die Liebe zum Theater behalten und sie hat mich schon als Kind ganz oft mitgenommen, ins Theater, in die Oper. Verdi, Puccini, das war mir alles vertraut, das hörten wir auch zu Hause im Radio gern. Ihr Bruder war zeitweise Organist in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche, und bei ihren Vorfahren waren eine Reihe von Kirchenmusikern und Organisten.

Und Dein Vater?

Von meinem Vater habe ich mehr das Verständnis für technische Zusammenhänge gelernt. Er war Ingenieur und leitete das Versuchslabor am Lehrstuhl von Professor Kienzle an der TU, für Maschinenbau, Feinmechanik. Da hat er dann auch seinen Doktor gemacht und später Professor.  Damals hieß sie noch Technische Hochschule (eine der ältesten Deutschlands), ab 1946 dann TU. Mein Vater war Bastler, Erfinder, Praktiker, hatte immer seine eigene Werkstatt im Haus, Drehbank, Funkstation, damit wuchs ich auf, da habe ich schon als Kind löten und morsen gelernt. Aber auch er hatte eine musikalische Ader, er konnte Klavier spielen, und er konnte sehr gut Schach spielen. Das habe ich auch von ihm gelernt. Sein Vater, also mein Großvater, muss künstlerisch sehr begabt gewesen sein. Leider habe ich den nicht mehr kennengelernt, er starb vor meiner Geburt. Es gibt wunderschöne Aquarelle von ihm im Nachlass, und er hat Gitarre gespielt. Er ist in seiner Jugend durch die Schweiz gezogen, durch die Berge, auf Wanderschaft sagte man damals. Aber es gab noch seine alte Gitarre, und die hatte ich schon als Kind mal ausprobiert. In der Wohnung, in der ich großgeworden bin, eine riesen 8-Zimmer Wohnung in der Laubacher Straße stand auch ein Klavier. Ich durfte aber nicht darauf spielen, weil das natürlich nur Krach machte. Aber, sobald alle weg und niemand zuhause war, habe ich natürlich probiert und versucht darauf zu spielen. Später, in Westend, kam dann jemand in die Schule, das war noch in der Grundschule, 1962 muss das gewesen sein, und machte Reklame für die Musikschule Charlottenburg in der Platanenallee und für Unterricht in Instrumenten wie Blockflöte, Gitarre, Klavier. Ich fand das interessant und habe dann meiner Mutter vorgeschlagen, „ich würde das gerne machen, z.B. Gitarre“. Und sie sagte „gut, Gitarre ist nicht so laut zuhause, das geht vielleicht“. Fand sie ok, aber es war eigentlich meine Idee. Und dann hat sie das auch unterstützt, als sie gemerkt hat, dass ich da tatsächlich regelmäßig hingehe, und dass das nicht nur so dumme Flausen sind. Im ersten Jahr habe ich dann noch diese alte Wandergitarre von meinem Opa gespielt.

Wie hieß Deine Lehrerin?

Das war Frau Scheibitz. Vielleicht hat Lüül dir davon erzählt? Wir hatten die gleiche Gitarrenlehrerin, er war nämlich auch bei der. Da habe ich Lüül das erste Mal gesehen. Da kannten wir uns noch nicht. Da waren wir so zwölf Jahre alt. Ich kam zu meinem Unterricht einmal in der Woche und da saß er, damals schon typisch mit seinen ganz hellen, blonden langen Haaren. Wir haben uns darüber später oft amüsiert, dass wir die gleiche Gitarrenlehrerin hatten. Er war, glaube ich, nicht so lange dabei, aber auch ein paar Jahre.  Ich habe da nicht fürchterlich geübt, aber ich fand das irgendwie toll für mich. Einmal die Woche war ganz entspannend. Und die Lehrerin war echt klasse, die war zwar streng auf eine Art, also formal streng, wie man Gitarre und vor allen Dingen klassische Konzertgitarre spielt. Da gab es nichts mit Barré-Griffen und Popmusik und so weiter. Da hat sie sich strikt geweigert. Der Unterricht ging auch sehr langsam, sehr gründlich. Jede Saite einzeln. Heute nehmen wir mal den nächsten Ton, spiel mal diesen Ton.

Naja, immerhin baut man ein Grundwissen auf.

So mache ich das heute mit meinem Enkel. So habe ich es auch gelernt. Junge Menschen sind immer ungeduldig und wollen natürlich sofort loslegen, sag mal wie geht so ein Akkord und dann bum bum bum. Dann sage ich nein nein, so geht es nicht, so funktioniert das nicht. Wenn du es richtig lernen willst, machst du dir nur die Finger kaputt, die Hände und die Haltung und so weiter. Und meine Lehrerin war ganz genauso. Irgendwie gefiel mir das, die war so ganz ruhig und war nett, immer freundlich und geduldig. Ich blieb über sechs Jahre bei dem Unterricht.

Aber parallel dazu hast Du dann auch schon Band eine gehabt?

Das fing später an, 1966. Durch Frau Scheibitz, hatte ich kurioserweise schon mal von Konrad Latte gehört. Er leitete wohl auch so eine Art Zupforchester oder Lautenorchester. Und die Frau Scheibitz gab ja auch Lauten-Unterricht. 

Kanntest Du Konrad Latte noch persönlich?

Nein, ich kann mich nicht erinnern. Ich habe ein paarmal kleine Auftritte, nicht solo aber mit anderen Kindern zusammen gehabt. Mit drei oder vier Gitarren. Die haben wir dort in der Musikschule Charlottenburg in der Platanenallee gemacht und die Eltern kamen halt und guckten, wie sich die Kinder so machen.

Das ist durchaus charakterbildend, denn du musst dich vor anderen präsentieren. Da ist schon ein wenig Druck da.

Ja, aber das hat mich noch nie so aufgeregt, schon als Kind habe ich in der Wohnung Laubacher Straße mit meinem Freund Jürgen, der wohnte vis-à-vis und war ein Jahr jünger als ich, eine Art Weihnachtsspiel erfunden, für die Eltern und Omas und Opas und Onkels und Tanten. Da war in der Wohnung viel Platz und da war immer viel los. So haben wir die Weihnachtsgeschichte als zwei Personenspiel aufgeführt, mit Verkleidung und Gedichte aufsagen. Das war alles spielerisch und wir haben uns königlich amüsiert.

Also keine Scheu.

Nein, in der Schule habe ich auch ein paar solcher Aufführungen gemacht, und bei einigen Theateraufführungen war ich auch dabei. Und ich habe mit einem Freund einen Film gedreht. Nee, das fand ich immer spannend und interessant.

Und wann hast Du Hartmut Enke kennengelernt?

Hartmut habe ich in der fünften, sechsten Klasse kennengelernt. Da kam er auf meine Schule (Steuben-Grundschule), Hartmut wohnte ja nicht in Westend. Hartmut kam von der Mommsenstraße, unweit vom S-Bahnhof Charlottenburg, da ist er großgeworden. 

Wow, das ist alte Ecke meiner Familie, Waitzstraße, Sybelstraße, da ist meine Familie gewesen. Deswegen kenne ich die ganze Gegend.

Ja, Mommsenstraße 34, da gab es ein Restaurant, das hieß Tegernseer Tönnchen. Kennst Du das noch?

Na klar kenne ich das.

Und da drüber wohnte Hartmut.

Ehrlich? Das ist ja ein Zufall.

Und da haben wir mit der ersten Band geübt und unsere ersten Auftritte gemacht.

Ich sage ja, die Kreise schließen sich alle. Es ist unglaublich. Tegernseer Tönnchen. Das gibt es aber da nicht mehr.

Nein, da ist jetzt eine Galerie.

Meine Eltern und mein Opa, die sind alle immer ins Tönnchen gegangen.

Ja und Hartmut wohnte da im zweiten Stock. Seine Mutter hat ihn dann auf diese Schule in Westend geschickt, ich glaube, weil da Latein erste Fremdsprache war.  

Ist ja auch ein Schulweg, oder? Von der Mommsenstraße bis nach Westend.

Da fuhr damals noch die Straßenbahn. Da stiegst du in die Straßenbahn, Kant- Ecke Wilmersdorfer Strasse ein, und die fuhr dann die Kantstrasse hoch und die Heerstraße runter bis nach Spandau, und am S-Bahnhof Heerstraße konntest du bequem aussteigen.

Stimmt, die Wilmersdorfer Straße war ja noch keine Fußgängerzone damals. Das kenne ich alles noch.

Hartmut war zuerst in einer Parallelklasse und meine früheste Erinnerung an ihn ist wie Hartmut in der ersten Turnstunde draußen auf dem Schulhof nur mit seinen nagelneuen Turnschuhen kämpfte, die hatten so extrem lange Schnürsenkel und er wusste nicht wo er die rumwickeln sollte, damit er nicht drüber stolpert, während wir alle im Kreis rumrannten. Vielleicht war ihm das auch ganz recht, dass er nicht mitrennen musste, sportlich war er ja nie im Leben. In meine Klasse kam er erst 1966 auf dem Erich-Hoepner Gymnasium / 8. Klasse. Er war damals sehr modebewusst, immer super schick angezogen, es mussten die neuesten und modernsten Klamotten sein, die es gab.

Ein kleiner Pfau.

Ja, ein bisschen war er das damals schon. Das ist interessant, seine spätere Entwicklung, wo das total gekippt ist, und wo er sich wirklich nur in ein Bettlaken gewickelt hat und jeden materiellen Besitz rigoros abgelehnt hat. Damals trug er nur die teuersten Klamotten von Selbach. Das war hier am Ku’damm so ein superschicker Laden für junge Herrenmode. Hemden mit solchen Kragen und breite Krawatten, direkt aus London, und was auch immer.

Ich kannte eigentlich immer nur in der Wilmersdorfer Strasse Mientus.

Ja, Mientus, das war etwas konservativer, da an der Ecke Mommsenstrasse.

Du musst ja irgendwann mal auf E-Gitarre umgestiegen sein oder warst du in der Schülerband mit Wandergitarre am Start?

Nein, irgendwann haben wir entschieden, wir haben Lust eine Band zu machen. Das war Ende 1966 etwa. Ein Schulfreund wollte seinen Partykeller ausbauen, wie man das früher so hatte. Der wohnte an der Länderallee (Westend) und da haben wir dann im Keller die Wände schwarz gestrichen und dabei immer Rolling Stones gehört (Paint it Black! … und natürlich auch anderes). Und da kamen wir drauf, wir müssen auch unbedingt eine Band gründen. Ich habe mich zuerst geweigert Gitarre zu spielen. Ich habe gesagt, ich habe keine Ahnung davon, das ist elektrische Gitarre und das hat mit Konzertgitarre überhaupt nichts zu tun, ich kann das nicht. Ich wollte lieber Schlagzeug spielen. Da hat Hartmut gesagt, „nein, du musst Gitarre spielen, das geht doch nicht!“. Und so haben wir uns geeinigt, Kompromiss, ich singe. Ich spiele nicht Gitarre. Dann hat also Hartmut den Bass gespielt und wir haben noch einen gefunden für die Gitarre, das war ja nicht so schwer, so ein paar Akkorde, das konnten auch ein paar andere noch. Das war Lutz Behrend, der spielte in der ersten Band Rhythmusgitarre. Nur das Schlagzeug wurde zum Problem, weil der, dessen Keller wir da gestrichen haben, der wollte zwar gerne unser Schlagzeuger werden, hatte aber kein Schlagzeug. Und er hat uns dann Geschichten erzählt, er würde eins zu Weihnachten geschenkt bekommen, und hätte es schon gesehen, oben versteckt im Dachboden. Alles gesponnen, er hat nie eins bekommen. Jedenfalls standen wir dann ohne Schlagzeug da, und die ersten Auftritte haben wir dann auch nur zu dritt gemacht. Mit Bass, Gitarre, und ich habe gesungen und dazu mit so einem Schellenring quasi die Rhythmusgruppe gemacht. Gab es ja früher oft in den Sechzigerjahren bei den Songs, da war dieser Schellenring dabei. Und ich musste immer so ein bisschen rausfinden wie die Musik ging, es war nicht so einfach Noten zu kaufen. Das einzige Musikgeschäft, das ich damals kannte, war das Musikhaus am Zoo in der Nürnberger Straße. Da gab es so eine kleine Abteilung mit ein paar Schlagernoten, das war natürlich nicht das, was wir spielen wollten. Ich habe daher auf Tonband aufgenommen und musste dann raushören, ob der Akkord jetzt passt, wie geht der Bass und vor allen Dingen wie geht der Text. Und ich hatte gerade das erste Jahr Englisch in der Schule und verstand kaum ein Wort. Könnte das so heißen, könnte das vielleicht so heißen. So habe ich mich da reingewurschtelt und wenn ich gar nicht weiterwusste, habe ich einfach alles lautmalerisch nachgemacht. Jahre später habe ich manchmal die richtigen Texte gelesen und habe nur Bauklötze gestaunt, was ich da für Blödsinn verstanden habe, das war schon sehr komisch.

Aber wenn es schön laut war, war es ja auch egal, oder?

Es war egal. Es hat Spaß gemacht und die Leute fanden das toll. Wir haben auf ein paar Schulfeten gespielt. Und erstmal bei Hartmuts Geburtstag bei ihm zuhause, da haben wir angefangen. Er hat öfter bei sich so kleine Feten gemacht damals, er hatte sogar eine kleine Hausbar in der Ecke in seinem Zimmer, musst du dir mal vorstellen. 

Ein Lebemann.

Wenn Du die Fotos von damals noch siehst, sein Haarschnitt bei seiner Konfirmation, sein Anzug, lustig…aber, ehrlich gesagt, ich sah auch ziemlich doof aus mit meinem ersten Ansatz von längeren Haaren. 

Und wie hieß die Band?

The Bomb Proofs. Die Bombensicheren.

Das hat Hitpotential.

Dann hatten wir auch noch kurzfristig einen Schlagzeuger, Christian Töttcher. Der konnte richtig Schlagzeug spielen, der hatte Schlagzeug gelernt, und der besaß auch eins. Wir haben schon damals versucht, ein wenig zu improvisieren oder ein bisschen über die Vorlage hinauszugehen, wenn es uns zu langweilig war. Wir haben dann Stücke einfach verlängert, Themen ausgebaut. Da gab es so Beispiele, ich weiß nicht ob Du das noch kanntest, von den Rolling Stones, das fand ich damals so toll, dieses Stück Goin‘ home, das war über 11 Minuten lang. Alles was länger als drei Minuten war, das war schon fast eine Symphonie.

Die Stones haben gerade am Anfang ihrer Karriere eigentlich eine ganz andere Musik gespielt als das, was sie später gemacht haben.

Genau, das war auch die Musik, die ich am meisten mochte. Wenn ich heute sage ich war Stones-Fan, dann beziehe ich mich wirklich auf diese frühen Sachen. Mehr der Rhythm and Blues…”

 

Bernd Kistenmacher FERNE ZIELE – Geschichten über die Berliner Schule für elektronische Musik

Deutsche Erstausgabe Mai 2023

Copyright © dieser Ausgabe und aller Texte: Bernd Kistenmacher, Edition Mahlstrom, Berlin

Artikelnr. des Verlages: EM 10001

Seitenzahl: 793

Email: service@edition-mahlstrom.de

Satz, Druck und Bindung: Druckhaus Sportflieger, Berlin

Printed in Germany

ISBN 978-3-00-075096-0

Bezugsquelle: https://www.edition-mahlstrom.de/

Über den Autor:

Bernd Kistenmacher, geb. Oktober 1960 in Berlin, lebt und arbeitet seit seiner Geburt in Berlin und bezeichnet sich selbst als „Mauerkind“. Hauptberuflich ist Bernd Kistenmacher Musiker, der im Bereich der elektronisch-symphonischen Musik arbeitet. Bereits 1984 hat er sein erstes Solo-Album „Romantic Times“ auf Kassette veröffentlicht. Weitere Solo-Alben auf Kassette, LP und CD sind gefolgt. Sein Oeuvre umfasst mehr als dreißig Alben. Seinen Backkatalog findet man heute auf der Internet-Plattform „Bandcamp“. Immer wieder hat Bernd Kistenmacher Konzerte im In- und Ausland gegeben; vorzugsweise in Planetarien, weil diese die ideale Infrastruktur für seine Musik bieten.

Bernd Kistenmacher hat 1986 sein erstes Label Timeless Sounds gegründet, dass in den darauffolgenden Jahren in Musique Intemporelle umbenannt wurde und heute unter dem Namen MIRecords firmiert. Früher veröffentlichte das Label zahlreiche Künstler aus dem Bereich der elektronischen Musik, so auch Klaus Schulze, Manuel Göttsching, Michael Hoenig, Agitation Free, Rolf Trostel und viele andere. Heute veröffentlicht Bernd Kistenmacher auf MIRecords ausschließlich eigene Produktionen.

Bernd Kistenmacher war der erste unabhängige Produzent, der Mitte der Neunziger Jahre und vor dem Siegeszug des Internet die Multimedia-Produktion „The M.I. Rainbow Collection“ produziert und veröffentlicht hat. Schon damals interessierte ihn die Verbindung aus unveröffentlichter Musik und Bereitstellung von Hintergrundinformationen über die jeweiligen Künstler mittels integrierter Datentracks. Damals ein absolutes Novum.

Heutzutage ist Bernd Kistenmacher als freier Autor für diverse Musikmagazine und –Plattformen tätig. 2020 hat er seinen eigenen YouTube Kanal „Freak Out Your Synth“ aufgebaut, auf dem er ausgewählte Synthesizer in Bild- und Ton vorstellt.

FERNE ZIELE – Teil 2 – Lutz “Lüül” Graf-Ulbrich

An dieser Stelle werden exklusiv Auszüge aus Bernd Kistenmachers Buch “FERNE ZIELE – Geschichten über die Berliner Schule für elektronische Musik” veröffentlicht. Diese Aktion soll dabei helfen, dieses beinahe 800 Seiten starke Werk besser kennenzulernen und darauf neugierig zu machen. Ihr dürft euch also auf eine Menge spannender und interessanter Geschichten rund um die Berliner Schule für  elektronische Musik freuen.

Weiter geht es mit einem Auszug aus der Biografie von Lutz “Lüül” Graf-Ulbrich.

Von Eichkamp in die Welt – Der Musiker Lutz „Lüül“ Ulbrich

Von Eichkamp in die Welt – Der Musiker Lutz „Lüül“ Ulbrich

Lutz, mich würde deine Zeit in Eichkamp interessieren. Bist du da auch zur Schule gegangen?

Ja, ja, in die Waldschule. Also die Waldschule ist – wie der Name schon sagt – da im Wald in Eichkamp quasi um die Ecke.

Ich kenne Eichkamp nur indirekt, aber meine Familie hat da mal ein Haus gehabt.

Echt?

Im Maikäfer Pfad

Ehrlich? Maikäferpfad, da ist ja auch das Gemeindehaus und das ist jetzt ganz schön dort. Das hat der Siedlerverein gekauft und da spiele ich jetzt immer einmal im Jahr. In meiner Heimat, wo alles anfing. War jetzt gerade wieder vor drei Wochen oder so.

Ja, habe ich gelesen. Und habe mich geärgert. Ich wollte unbedingt hinkommen, war aber im Urlaub.

Ja, das ist aber nochmal so jedes Jahr, hat sich so eingebürgert seit drei, vier, fünf Jahren. Und das ist echt toll. Es wird immer voller.

Wie viele Leute kommen da?

Da waren jetzt 120 Leute, also viel mehr passten auch gar nicht rein. Und ich habe da auch Lesungen gemacht, als meine Mutter noch lebte. Das war total süß. Da habe ich natürlich mehr so Storys auch aus Eichkamp gelesen, also vom Anfang so. Und ja, da bin ich groß geworden und habe dann mit Christopher Franke, den ich seit ich fünf bin, kenne, angefangen Musik zu machen. Wir kannten uns schon aus dem Kindergarten. Der wohnte zwei Straßen weiter.

Ihr seid in dieselbe Klasse gegangen?

Nein, der war eine tiefer. Der ist ein Jahr jünger, aber wir waren beide auf der gleichen Schule. Und dann hatte ich durch die Beatles quasi Lust gekriegt, Musik zu machen als Zehnjähriger. Und das hat dann irgendwie Christopher mitgekriegt und kam vorbei. Ich hatte einen Partykeller, wie man das damals so hatte. Und dann haben wir da zusammen, es war so ’64 oder so was, ’63, ’64, angefangen. Wir beide erstmal. Er hatte aus dem Telefon die Mikrofone rausgenommen. Er war ja schon immer technisch versiert. Und das waren unsere ersten Mikrofone. Und er trommelte halt schon ganz gut, obwohl er mit Geige und Trompete aufgewachsen ist. Seine Mutter war ja Geigenlehrerin. Er kam also aus einem musikalischen Haus. Und dann haben wir da die erste Band gegründet.

Also er war Schlagzeuger?

Er war dann Schlagzeuger, hatte aber noch gar kein Schlagzeug. Wir hatten immer diese Wäschetrommeln da, also diese Persil-Trommeln. Genau, da klopfte man drauf rum. Und dann gab es noch so ein paar Läden, Gebrauchtwarenläden, da haben wir uns ein Becken gekauft für fünf Mark. Und ich weiß noch, ein Schlagzeug für 400 Mark. Also das war dann schon ganz schön teuer.

Ist ja schon viel Geld gewesen.

Ja, ja, genau. Gitarren waren billiger. Aber Schlagzeug war immer schon mal so ein Haufen Kohle. Ich hatte einen Gitarrenverstärker, der kostete 150 Mark oder so. Aber Schlagzeug war dann schon mal…

…für damalige Zeit viel Geld.

Ja, irre. Und er hat sich dann aber eines gekauft, denn er war sehr talentiert. Und so fing das an. Dann haben wir eine Schulband und unsere ersten Auftritte gehabt in der Schule oder auf irgendwelchen Schulpartys oder bei Freunden und so. Und dann gab es ein paar Umbesetzungen.

Ihr habt aber Beatmusik gespielt.

Genau. Wir haben nachgespielt. Beatles war immer ein bisschen schwierig so mit den ganzen Gesängen und Akkorden, die wir alle nicht so kannten. Dann haben wir eher Stones, Kings, Yardbirds gespielt. In meinem Buch ist ja auch eine Setliste von unseren Anfängen drin. Und dann gab es eine weitere Band, erst hießen wir The Tigers, dann The Sentries und dann wechselten die Leute. Und dann gab es noch mal, das war dann ’67, einen entscheidenden Start beim Zusammenschluss von Christopher und mir mit einer anderen Band aus Westend, den Ugly Things. Das waren Michael Günther, also Fame, der Bassist und Ludwig Kramer, Gitarrist. Wegen der Pretty Things haben sie sich Ugly Things genannt. Und die hatten aber auch irgendwie Probleme. Und so haben wir uns auf dem Oktoberfest, weiß ich noch, das war da immer hinter der Deutschlandhalle, da haben wir uns getroffen. Und haben ’67 The Agitation gegründet. Wir haben dann zwar noch andere Stücke gecovert, aber dann haben wir schon versucht, eigene Stücke zu machen.

War das vor dem Hintergrund, dass man rebellisch sein wollte?

Ja, der Name Agitation bedeutet ja Unruhe, Erregung. Agitation ja, also man wollte schon aufwühlen. Man wollte irgendwie anders sein. Und wir wollten auch ziemlich schnell eben nicht mehr kopieren. Wie wir alle so angefangen haben, also englische und amerikanische Bands zu kopieren, war dann irgendwann nicht mehr unser Ding. Wir wollten einfach selber eigene Stücke machen. Ein entscheidender Einfluss war, dass unser Gitarrist Ludwig (Lutz Kramer) in den Ferien im Sommer nach England ging. Weil, das war natürlich auch immer so das Mekka, Carnaby Street und was da alles so war, Flower-Power, diese ganze Bewegung. Und viele, die dann da waren, kamen total begeistert zurück. So auch Ludwig, der hatte nämlich ein Pink Floyd Konzert gesehen. Und das war die frühe Phase vor The Piper at the Gates of Dawn. Das muss dann so ’68 gewesen sein, da meinte er: „Ey, wir müssen mal so ein bisschen spaciger an die Sache rangehen.“ Und dann haben wir also angefangen auch WahWah Pedale einzusetzen, da gab es die ersten Echogeräte, damit man einfach ein bisschen experimenteller wurde. Und dann gab es auch parallel dazu ja in Berlin die Band Tangerine Dream, die ich mir mal mit Christopher angesehen habe.

Also ihr seid sozusagen von euch aus auf einen neuen „Sound“ gekommen und ihr wart jetzt nicht, sagen wir mal, Schüler vom Beat Studio und Thomas Kessler hat euch neue Sounds beigebracht?

Nein, also die Anlagen, also den Wunsch, sagen wir mal, den Wunsch jetzt neue Klänge oder einfach anders zu sein oder neu zu klingen, das war schon bei uns drin. Unsere Musik war auch ein bisschen punkig, weil wir waren ja jetzt auch keine ausgebildeten Musiker, außer Christopher, der übrigens auch schon damals bei Schlagzeugwettbewerben oder irgendwelchen Events spielte. Er hat einfach nur Schlagzeugsoli gespielt, der war wirklich versiert und wir jetzt keine technisch so dollen Musiker. Es war ja eher so die Attitüde, wir waren irre jung und wir wollten einfach so punkmäßig sein, so, Ey, komm und rein und los. Und da gab es dann auch das legendäre Konzert im Quasimodo, wo wir einen Probeauftritt hatten, ob wir da hätten länger spielen könnten. Da war John L., der tauchte da auf, ein total Durchgeknallter, Heroinsüchtiger. Und der ließ sich da in der Unterhose auspeitschen von Karlheinz Pawla, so einem Anarcho aus der Kommunenszene. Also es war echt wild dann teilweise. Und alle waren natürlich auch auf Drogen. Wir haben auch gekifft und LSD geschmissen und das brachte uns natürlich auch in neue Welten und neue Erfahrungen und Aufbruch und Veränderung und raus aus den alten Ketten und so. Das war so ein bisschen die Zeit. Und natürlich spiegelte sich das auch in unserer Musik wider.

Das war ungefähr wann?

Das war so ’68, also ’67 gegründet und dann ’68, ’69. Wir probten aber immer noch bei der Mutter von Christopher im Keller. Bis halt Christopher mal die Idee hatte, der Keller sei zu flach. Da hatte der eine Steinhacke genommen und versucht, den Boden tieferzulegen. Und die Mutter hörte irgendwelche Geräusche und rannte also runter und „Was machst du denn da?“ und so. Und da war klar, das geht jetzt nicht mehr. Parallel dazu hatten meine Eltern ein Haus gekauft. Das war auch in Eichkamp und es stand noch leer. Da sind wir dann vor dem Umzug erstmal untergekommen. Genau, in der Eichkampstraße war das. Und dann hatten wir also dicke Verstärker inzwischen. PAs und sowas gab es ja alles noch nicht. Es gab zwar Bands mit Gesangsanlage, aber da wir keinen Gesang hatten, brauchten wir sowas nicht. Wir hatten einfach so kleinere Verstärker und nun haben wir aber dann aufgerüstet, größere, lautere Verstärker, AC 100 und Foundation Bass, also Vox war damals so die Firma, die man benutzte, später Marshall. Damit waren wir ja irre laut. Und das ging dann eben auch nicht mehr. Und dann hat uns Ludwig, der inzwischen bei der Kommune I wohnte, uns bei denen einen Übungsraum besorgt.

Lutz war in der Kommune 1?

Das war er. Die Kommune 1, die war damals in Moabit, Stephanstraße. Im ersten Stock war nur ein Raum, so ein Loft-artiges Ding mit einer Küche, wo die da alle hausten und auf Matratzenlagern schliefen. Es gab aber im Nebengebäude noch ein paar Räume, wo auch noch welche wohnten. Und da wohnte auch Ludwig. Und dann hatte Ludwig gefragt, ob es da Räume gäbe, wo wir proben könnten. Und dann kam tatsächlich Rainer Langhans mit seinem VW Bus vorgefahren in Eichkamp und hat die Sachen eingeladen.

Wie haben deine Eltern reagiert? Waren die geschockt?

Nein, also meine Eltern waren ganz naiv, was Drogen betraf und so. Also das war ja damals alles noch zahm. Ich kann mich erinnern, wir hatten so eine Musiktruhe von meinen Eltern, und einmal haben wir da Pink Floyd gehört und lagen alle bekifft herum, weißt du, Augen zu. Und meine Mutter kam rein und sagte „Ach die Jugend hier.“ Hört da Musik und lauscht andächtig. So war das eher. Mit Haschisch und so, das wussten die noch gar nicht so richtig. Und das war ja auch alles noch harmlos. Nein, meine Eltern, die haben mich immer unterstützt, da bin ich ihnen auch wirklich zu Dank verpflichtet. Die haben mich eigentlich in jeder Phase meines Lebens unterstützt. Klar, hätten die sich auch gewünscht, dass ich eher so sagen wir mal einen bürgerlichen Beruf erlernt hätte, der nicht so unsicher ist wie ein freiberuflicher. Aber das haben die trotzdem immer unterstützt. Denn die wollten immer, dass ich das mache, was mir Spaß macht. Sie waren dann aber auch froh, als wir aus dem Haus raus waren, weil es war ja doch zu laut. War ja auch nur eine Notlösung. Ja, und dann in der Kommune 1 war es super zu proben. Ich kann mich erinnern, da waren auch mal Amon Düül zu Besuch.

Wie ging’s dann weiter?

Parallel dazu hat die Mutter von Christopher, die sehr engagiert war, auch was aus uns einmal werden soll, Kontakt geknüpft zur Musikschule Wilmersdorf in der Pfalzburger Straße. Da kannte sie nämlich den Direktor, Dr. Konrad Latte. Und der hatte irgendwie Gelder zur Verfügung und wollte, so wie ich mich erinnere, einen Flügel kaufen, der auch nicht so ganz billig war. Sie hat ihn dann davon überzeugt, doch lieber einen Übungsraum zur Verfügung zu stellen, weil die hatten da Kellerräume, die man als Studio für Musiker, nämlich uns, ausbauen konnte. Da hießen wir dann schon Agitation Free. Und dann hat Konrad Latte das auch genau getan. Das war eigentlich sensationell, denn das quasi Senatsgelder für sowas ausgegeben wurden, war damals nicht üblich. Und dann, wie genau müsste Thomas Kessler besser wissen, kamen wir da rein. Die meinten dann, Übungsräume schön und gut, aber wir brauchen jemand, der das beaufsichtigt beziehungsweise die Musiker dann auch an die Hand nimmt. Und dann haben sie den Avantgardemusiker und Komponisten Thomas Kessler dafür gewonnen. Das sind zwei Kellerräume in der Pfalzburger Straße gewesen, die wir dann mit Eier Pappkartons ausgekleidet haben, wie man das damals so machte, damit die Akustik ein wenig besser wird. Und dann gab es drei AKAI-Bandmaschinen. Das war damals wahnsinnig toll. Tonbänder und ein paar Mikrofone. Viel mehr Equipment war da gar nicht. Es gab den Regieraum, wo die Bandmaschinen standen, und dann den Proberaum. Und dann war das immer so, dass man jeden Tag von 15.30 Uhr bis 20:00 Uhr proben konnte. Das sprach sich ziemlich schnell rum. Wir waren quasi die Gründer des Beat Studio, wir waren die ersten mit Agitation Free. Dann kamen aber ziemlich schnell Ash Ra Tempel, die sich dann auch gerade gegründet hatten mit Klaus Schulze und Hartmut Enke und Tangerine Dream auch. Curly Curve war noch eine Band, die da drin war, aber auch noch andere Bands. Ich kann dir gleich mal einen Clip von der SFB Abendschau zeigen. Ich weiß noch, irgendwann war die Abendschau mal da und die haben im Beat Studio gedreht. Den Clip zeige ich auch bei meinen Lesungen, das ist der Knaller (Anmerkung: der Abendschau Clip wird auch im Gespräch mit Lutz „Ludwig“ Kramer erwähnt). Und dann wurde das Beat Studio eine Institution, so dass eben die Bands da vorbeikamen. Wie das aufgeteilt war, ob jede Band nun einen ganzen Nachmittag hatte oder ob man nur zwei, drei Stunden hatte, dass weiß ich nicht mehr. Jedenfalls hat uns Thomas Kessler dann unterrichtet.

Das heißt, er hatte technisches Knowhow und hat euch an die Technik ran geführt sozusagen?

Also Technik gar nicht mal so sehr.

Mutig sein? Herumzuexperimentieren? Neue Wege finden?

Also er kam ja, wie gesagt, aus der Avantgarde und war sehr der modernen Musik und Experimenten aufgeschlossen. Und es war ja eh die Zeit, wie gesagt, wir haben uns ja auch in diese Richtung entwickelt. Das passte super zusammen. Und das war ein großer Glücksfall, dass wir jetzt so einen da hatten, der uns einfach forderte und auch inspirierte. Und zum Beispiel als Erster, kann ich mich erinnern, von einem Synthesizer sprach. Wo wir gar nicht wussten: Synthesizer, was ist denn das jetzt? Und wir wussten gar nicht, wie man das schreibt und hatten sowas auch noch gar nicht gehört. Und dann meinte er, so ein Instrument, das wäre was für euch. Und dann bin ich mit Michael Hoenig, der dann schon in der Band war, nach England gefahren. Christopher war da schon weg. Und da haben wir uns diesen berühmten EMS Synthi AKS, diese Aktentasche gekauft. Der hatte noch so ein komisches Plastikkeyboard und kleine Stecker für das Steckfeld und so.

Das war aber schon Anfang ’70?

Das war 1971…”

Viel mehr spannende Geschichten gibt es im Buch FERNE ZIELE von Bernd Kistenmacher zu lesen. FERNE ZIELE ist im Verlag EDITION MAHLSTROM, Berlin erschienen.

Bernd Kistenmacher FERNE ZIELE – Geschichten über die Berliner Schule für elektronische Musik

Deutsche Erstausgabe Mai 2023

Copyright © dieser Ausgabe und aller Texte: Bernd Kistenmacher, Edition Mahlstrom, Berlin

Artikelnr. des Verlages: EM 10001

Seitenzahl: 793

Email: service@edition-mahlstrom.de

Satz, Druck und Bindung: Druckhaus Sportflieger, Berlin

Printed in Germany

ISBN 978-3-00-075096-0

Bezugsquelle: https://www.edition-mahlstrom.de/

Über den Autor:

Bernd Kistenmacher, geb. Oktober 1960 in Berlin, lebt und arbeitet seit seiner Geburt in Berlin und bezeichnet sich selbst als „Mauerkind“. Hauptberuflich ist Bernd Kistenmacher Musiker, der im Bereich der elektronisch-symphonischen Musik arbeitet. Bereits 1984 hat er sein erstes Solo-Album „Romantic Times“ auf Kassette veröffentlicht. Weitere Solo-Alben auf Kassette, LP und CD sind gefolgt. Sein Oeuvre umfasst mehr als dreißig Alben. Seinen Backkatalog findet man heute auf der Internet-Plattform „Bandcamp“. Immer wieder hat Bernd Kistenmacher Konzerte im In- und Ausland gegeben; vorzugsweise in Planetarien, weil diese die ideale Infrastruktur für seine Musik bieten.

Bernd Kistenmacher hat 1986 sein erstes Label Timeless Sounds gegründet, dass in den darauffolgenden Jahren in Musique Intemporelle umbenannt wurde und heute unter dem Namen MIRecords firmiert. Früher veröffentlichte das Label zahlreiche Künstler aus dem Bereich der elektronischen Musik, so auch Klaus Schulze, Manuel Göttsching, Michael Hoenig, Agitation Free, Rolf Trostel und viele andere. Heute veröffentlicht Bernd Kistenmacher auf MIRecords ausschließlich eigene Produktionen.

Bernd Kistenmacher war der erste unabhängige Produzent, der Mitte der Neunziger Jahre und vor dem Siegeszug des Internet die Multimedia-Produktion „The M.I. Rainbow Collection“ produziert und veröffentlicht hat. Schon damals interessierte ihn die Verbindung aus unveröffentlichter Musik und Bereitstellung von Hintergrundinformationen über die jeweiligen Künstler mittels integrierter Datentracks. Damals ein absolutes Novum.

Heutzutage ist Bernd Kistenmacher als freier Autor für diverse Musikmagazine und –Plattformen tätig. 2020 hat er seinen eigenen YouTube Kanal „Freak Out Your Synth“ aufgebaut, auf dem er ausgewählte Synthesizer in Bild- und Ton vorstellt.

FERNE ZIELE – Teil 1 Bernd Kistenmacher

Bernd Kistenmacher FERNE ZIELE – Geschichten über die Berliner Schule für elektronische Musik

In den kommenden Wochen werden wir an dieser Stelle, aber auch in ausgewählten sozialen Netzwerken Auszüge aus Bernd Kistenmacher’s Buch “FERNE ZIELE – Geschichten über die Berliner Schule für elektronische Musik” veröffentlichen. Diese Aktion soll helfen, dieses 800 Seiten starke Werke ein wenig besser kennenzulernen und darauf neugierig zu machen. Ihr dürft euch also auf eine Menge spannender und interessanter Geschichten rund um die Berliner Schule für  elektronische Musik freuen.

Los geht es mit einem Auszug aus der Biografie von Bernd Kistenmacher:

 

“Die Insel der Wolkenschieber

Irgendwie hatte ich schon immer einen Draht zu “schräger“ Musik. Meine Cousine war damals ein absoluter Hippie. Sie hatte lange Haare und trug das typische Outfit für diese Zeit. Fischerkugeln hingen in einem Netz von ihrer Zimmerdecke. Eine in eine Chianti-Flasche gesteckte Tropfkerze verbreitete ihr schummriges Licht und süßlich riechende Räucherstäbchen qualmten auf dem Tisch und vernebelten Luft und Sinne. Man ahnt es. Damals war ich noch sehr unschuldig und natürlich wusste ich nicht genau, ob es wirklich nur Räucherstäbchen waren, die da qualmten. Sie rochen jedenfalls sehr gut. Irgendwann an diesem für mich besonderen Nachmittag im Herbst 1970 spielte sie mir ihre Musik vor. Ich erinnere mich noch wie heute an Echoes von Pink Floyd und Ruckzuck von Kraftwerk. So etwas hatte ich noch nie zuvor gehört. Ich war von dieser Musik derart eingenommen, dass ich danach monatelang mein Taschengeld zusammensparte, um mir das erste Album von Kraftwerk endlich kaufen zu können. Das war im Frühjahr 1971.

Nun muss man sich vorstellen, dass in den Fünfziger- und Sechzigerjahren der Gang in einen Schallplattenladen oder besser in ein Rundfunkgeschäft eher etwas Einschüchterndes hatte. Da waren gut gekleidete Damen und Herren, vielleicht auch schon mal ein „moderner“ Typ mit Sakko, Vollbart und halblangen Haaren. Jemand für das jüngere Publikum sozusagen. In so einen Laden hineinzugehen war so, als ob man heute mit billigen Klamotten eine Nobelboutique betritt. Man wurde gemustert, abgeschätzt und bewertet. Vielleicht wurde man höflich angegrinst. Eine leichte Verbeugung inbegriffen. In so einen Laden ging man nicht ohne Begleitung Erwachsener und natürlich musste man nach allem, was einen interessierte, fragen. Auch nach einer Schallplatte. Schon gar, wenn man sie sich anhören wollte. Und auch das Anhören einer Platte war ein besonderes Erlebnis, zumal es damals durchaus noch „Plattenbars“ gab, also Abspielstationen zum Anhören der Musik. Man äußerte seinen Musikwunsch und hinter dem Tresen wurde die Schallplatte dann aufgelegt, die man sich über einen „Stielhörer“, der einem Telefonhörer nicht unähnlich war, anhörte. Genau so habe ich es in den Sechzigerjahren als kleiner Knirps erlebt. Kopfhörer und anderes, neumodisches Zeug, waren nur etwas für Spezialisten und im beginnenden Space-Age gerade erst im Kommen. Also, die Blicke, die man erntete, wenn man in so einem Geschäft nach Kraftwerk oder Pink Floyd fragte, kann sich jeder selbst vorstellen. Mit „Hasch-Musik“ wollte man nichts zu tun haben. Und mal ehrlich, wer kannte denn diese Musik wirklich? Kaum einer. Woher auch? Aber zum Glück schlug damals die Stunde der „echten“ Plattenläden. Geschäfte, die eigens angefragte Titel besorgten und in die Regale stellten, denn wenn schon jemand nach einer bestimmten Platte fragte, musste es der Titel wohl wert sein, ins Sortiment geholt zu werden. Es könnten sich ja auch andere Menschen dafür interessieren…

Wir befinden uns an der Schwelle zu den Siebzigerjahren des zwanzigsten Jahrhunderts. Einer Zeit, in der sich die Sicht auf die Welt radikal änderte. Altbekannte Strukturen und überkommene Lebenskonzepte lösten sich in Luft auf, um Platz für neue Ideen zu machen.

Studentenrevolten waren gerade mal so „bewältigt“. Antiautoritäre Erziehung war „in“. Diese Veränderung betraf nicht nur politische Ansichten, sondern auch die Lebensweisen und das Konsumverhalten der Menschen. Selbstbedienungsläden und Supermärkte waren im Kommen. In den USA gab es so etwas schon lange. Nach dem Zweiten Weltkrieg war es aber auch hier an der Zeit, sich den verschiedensten kapitalistischen „Segnungen“ aus Amerika zu stellen. Die Lebensweisen der Menschen in West-Berlin waren fortan „westlich“ geprägt. Wir Kinder wurden sowieso unmittelbar von der amerikanischen Popkultur beeinflusst. Ob es sich nun um Coca-Cola, Kino oder Comics handelte.

Dieser Kultur- und Strukturwandel hatte Konsequenzen. Das große Sterben des Einzelhandels begann langsam. Und diese Entwicklung hatte Auswirkungen auf die meisten Branchen. Auch das Ende der klassischen Rundfunkgeschäfte wurde eingeläutet. Nur wenige überlebten. Sie machten Platz für auf spezielle musikalische Bedürfnisse ausgerichtete Läden. Fachgeschäfte mit einem großen Sortiment. Die Plattenläden, wie wir sie lange Zeit kannten, wurden damals geboren und um es kurz zu machen, kaufte ich mir mein erstes Album von Kraftwerk in der Joachimsthaler Straße bei Grießbach, einem für damalige Verhältnisse riesigen Plattenladen in der Nähe des Kurfürstendamms. Das geschah natürlich in Begleitung meiner Mutter.

Doch sogleich stand ich vor der nächsten Hürde. Mit elf Jahren hatte ich noch keinen eigenen Plattenspieler oder ähnliches. Also musste ich meine Eltern um Erlaubnis fragen, ob ich ihre Musiktruhe benutzen dürfte. Das ‚Ja‘ ist ihnen sicherlich nicht leichtgefallen, aber so war das halt im Jahr 1971. Der in den Haushalten Einzug haltende Luxus kostete viel hart erarbeitetes Geld und die Dinge mussten pfleglich behandelt werden. Wenn man etwas wollte, musste man danach fragen. Nicht das schlechteste Konzept übrigens…

Ruckzuck von Kraftwerk wurde für eine recht lange Zeit eine Art persönliche Hymne. Ich weiß nicht, wieviel Hundertmal ich mir das Stück angehört habe. Auf jeden Fall nervte es meine Eltern ungemein. Natürlich war es nicht ihre Musik. Ihr musikalischer Geschmack reichte von Peter Alexander bis zu Klavierkonzerten von Chopin. Immerhin. Nicht viel später gesellten sich die Schallplatten von James Last zu ihrer Sammlung. Das war mal was Modernes. Und wer modern sein wollte, der spielte seine Musik auch nicht mehr in einer Musiktruhe ab, sondern wendete sich der neuesten Technik zu. Und so kauften sich meine Eltern Anfang der Siebzigerjahre eine sogenannte Stereoanlage. Quasi eine Desktop-Version einer Musiktruhe. Das war der letzte Schrei. Stereoanlagen gab es noch vor den etwas Ambitionierteren HiFi-Anlagen und sie waren Hybrid-Geräte, die meist aus der Kombination Plattenspieler, Radio und Kassettenrecorder plus zwei Lautsprechern bestanden. Alles war in einem futuristischen Gehäuse verbaut. Und es gab Geräte für jede Preisklasse. Jedenfalls gereichte mir die Entscheidung meiner Eltern für so ein Ding zum Vorteil, denn so erbte ich ihre alte Musiktruhe, die fortan in meinem eigenen Zimmer stand. Übrigens: Der Plattenspieler dieser Musiktruhe hatte ein interessantes Feature zu bieten.

Neben den Abspielgeschwindigkeiten 45 UpM für Singles und 33 1/3 UpM für Langspielplatten konnte man auch 78 UpM zum Abspielen alter Schellackplatten und 16 2/3 UpM einstellen. Und sie hatte noch etwas drauf, das spätere Geräte nicht mehr haben sollten. Das Radio hatte neben den Frequenzen UKW für Ultrakurzwelle und MW für Mittelwelle auch Empfangsteile für LW, also Langwelle und KW, sprich Kurzwelle. Damit konnte ich in der Nacht akustische Reisen um die Welt machen oder den Polizeifunk abhören; die Frequenzbänder gingen bei meiner Truhe ein kleines Stück weiter als erlaubt. Das war genau das Richtige für einen Soundenthusiasten wie mich. Schräge Musik noch schräger machen? Fremde Klänge hören? Genau mein Ding. Später gesellten sich noch ein Kassettenrekorder von Universum und ein wirklich tolles Tonbandgerät von Grundig hinzu. Was den Musikkonsum anging, war ich also als Elfjähriger wirklich nicht schlecht ausgestattet und so kamen über die Jahre weitere Platten mit „schräger“ Musik zu meiner Sammlung hinzu. Das waren zum Beispiel Ummagumma, Meddle und Dark Side Of The Moon von Pink Floyd, das Album 666 von Aphrodite’s Child oder Earth, das erste offizielle Solo-Album von Vangelis. All diese wunderbaren Platten zogen mich immer tiefer in dieses pure Glück verheißenden Klangkosmos hinein. Ich fühlte mich so, als ob ich der Hüter eines besonderen Schatzes gewesen bin. Und ein wenig war das auch so, denn niemand in meiner Nähe hörte anfangs die gleiche Musik wie ich. Das dachte ich zumindest. Dass aber nur wenige Jahre zuvor ganz in der Nähe meines Geburtsortes in Berlin-Wilmersdorf wichtige Kapitel der Geschichte der Rockmusik geschrieben worden waren, ahnte ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht.

Entdeckte ich Ende der Sechzigerjahre so gerade mal die Musik der Beach Boys (meine Mutter ließ in ihrem Kofferradio gerne den AFN laufen), hatten sich in West-Berlin bereits Bands wie Agitation Free, Tangerine Dream oder Ash Ra Tempel, die Band des Berliner Gitarristen Manuel Göttsching formiert. 1968 war die Geburtsstunde der Berliner Schule. Da war ich acht Jahre alt. In dem berühmten Electronic Beat Studio (das von allen damals immer nur Beat Studio genannt wurde) in der Pfalzburger Straße 32 in Wilmersdorf lernten die Musiker unter der Leitung des Schweizer Musikprofessors Thomas Kessler neue Techniken zur Musikproduktion und zur Komposition kennen. Die Musik, die diese Bands entwickelten, sollte später, anfangs respektlos gemeint und dann zu einem festen Begriff werdend, „Krautrock“ genannt werden, dann aber auch progressive und psychedelische Musik. Gerade der Begriff „Progressiv“ war vor dem damaligen politischen Hintergrund durchaus gewollt und Programm. Parallel dazu waren aber auch Gruppen wie Kraftwerk, Can, Amon Düül, Embryo, Achim Reichel und sehr viele andere Bands ebenfalls Vorreiter dieser neuen Musik aus Deutschland. Und so gab es auch eine Düsseldorfer Schule und eigentlich auch eine Münchener Schule. Alles musikalische Keimzellen, die bis heute weltweite Anerkennung genießen und weiterhin viele internationale Künstler beeinflussen und inspirieren. Die Berliner Schule, genauer die Berliner Schule für elektronische Musik, fristete daneben immer eher ein Schattendasein in diesem großen Krautrock-Universum. Obwohl einige der oben genannten Berliner Protagonisten in den Siebziger- und Achtzigerjahren vor allen Dingen im europäischen Ausland, aber auch international sehr erfolgreich gewesen sind, gab es im Inland kaum eine musikalische und künstlerische Anerkennung für ihr tun. Selbst als am 20. Januar 2015 Edgar Froese verstarb, erscheinen die ersten Nachrufe auf ihn zuerst in England und in den USA. Erst dann erinnerte man sich seiner eher halbherzig auch hierzulande. Ja, die elektronische und psychedelische Rockmusik aus Berlin hatte es immer etwas schwerer. Dennoch, und davon bin ich absolut überzeugt, hätte sie an keinem anderen Ort in der Welt als in West-Berlin so entstehen können wie sie sich letztlich entwickelt hat. Die besonderen Lebensumstände in dieser Stadt hatten einen Einfluss auf alles. Auch auf die Musik.”

und weiter…

FERNE ZIELE – BERND KISTENMACHER

Elternhaus

„Nimm die Finger aus dem Radio!“ Ansonsten eher stiller Natur, vernahm ich die deutlichen Worte meiner Mutter mit dem Unterton einer gewissen Sorge. Wenn sie so etwas sagte, meinte sie es wohl ernst. Ich war sechs Jahre alt und hatte sie eigentlich noch nie so erlebt. Das Radio, aus dem ich meine Finger nehmen sollte, war ein kleines Kofferradio der Firma Grundig, das in unserer Küche stand. Wir wohnten damals in einer Zwei-Zimmer-Wohnung in der Blissestraße 27 in Wilmersdorf im fünften Stock eines Mehrfamilienhauses, also recht modern für damalige Verhältnisse. Über uns war nur noch der Himmel. Ein Umstand, der noch eine größere Bedeutung für mich erlangen sollte. Wir schreiben übrigens das Jahr 1966. Nun gab es zwei gute Gründe, weshalb ich mich damals gerne in der Küche aufhielt. Zum einen war meine Mutter durch und durch Hausfrau. Die Küche war ihr „Arbeitszimmer“, wie eigentlich der Rest der Wohnung auch. Hier aber kochte sie und es bestand immer die Chance, dass man etwas zum Naschen bekam. Einen leeren Topf, in dem sie gerade frischen Pudding gekocht hatte zum Beispiel. Da fiel also immer irgendetwas Leckeres ab. Der zweite Grund war das besagte Kofferradio. Es hatte eine beleuchtete Skala, eine Antenne, die man ausziehen und ausrichten konnte und auf der Rückseite einen Deckel, der aufklappbar war. Der warme Klang dieses Radios und der Deckel zogen mich immer magisch an. Ich wollte instinktiv wissen, was „dahinter“ steckte. Woher der Klang kommt und was da so alles passiert. Ohne natürlich wirklich etwas davon zu verstehen. Mein Vater machte das schließlich auch so. Er hatte Kraftfahrzeugmechaniker auf einem Busbahnhof der BVG, der Berliner Verkehrsbetriebe, gelernt und wusste, wie man Dinge repariert. Ob es der kaputte Fernseher oder der verstopfte Vergaser seines VW-Käfers gewesen ist. Er konnte einfach alles reparieren und hat unserer kleinen Familie so sehr viel Geld gespart. Also, wenn er das konnte, dann konnte ich das doch auch, oder? Mein erster Versuch in dieser Richtung, nämlich einen batteriebetriebenen Leuchtstein von LEGO an eine normale Steckdose anzuschließen, war kläglich gescheitert. Immerhin hatte ich überlebt. Der LEGO-Stein nicht. Mein Vater wurde damals sehr wütend und der Sinn der Konsequenzen, die ich dann zu tragen hatte – nämlich eine Woche Stubenarrest und Taschengeldentzug – hat sich mir bis heute nicht erschlossen. Aber so war das damals. Jedenfalls hat das meine Experimentierlust in keiner Weise gebremst und so „reparierte“ ich einfach mal unser kleines Kofferradio mit bloßen Fingern. Eine Gabel war, glaube ich, auch noch mit im Spiel. Nun, diese Aktion ging gut aus. Auch, weil mein Vater nie etwas davon erfuhr. Wo nun all diese tolle Musik herkam, habe ich aber durch den rückwärtigen Blick ins Radio auch nicht erfahren. Was ich aber erfahren habe war, dass der Radiosender, den meine Mutter hörte, AFN Berlin hieß. AFN stand für American Forces Network. „Das ist ein Soldatensender“, hörte ich sie sagen. Was das wiederum bedeutete, erfuhr ich erst sehr viel später. Jedenfalls kündigten die Leute im Radio in feinstem American English die neuesten Hits aus den USA an. Die Sprache verstand ich natürlich nicht, aber die tolle, frische und moderne Musik reichte mir vollkommen aus. Und mal ehrlich, wenn so eine tolle Musik im Radio lief, musste das Land, aus dem sie kam, ja auch toll sein, oder? Einen sechsjährigen Jungen auf diese Weise pro-amerikanisch einzustellen, war jedenfalls nicht so schwer. Politik war sowieso etwas für Erwachsene.

Eine Musik hatte es mir damals besonders angetan. Das war der Song Good Vibrations von den Beach Boys. Da war vieles dabei, was etwas in mir für immer auslöste. Mehrstimmiger Gesang, eine eigenartig klingende Orgel, alles mit Hall unterlegt, ein flotter Beat und dieses seltsame Ufo-Geräusch am Ende des Songs. Erst später sollte ich herausfinden, dass dieser Klang mit einem sogenannten Tannerin (nach Paul Tanner) oder Elektrotheremin, einem frühen elektronischen Musikinstrument, gemacht worden ist. So etwas gefiel mir von frühen Kindesbeinen an und sollte mir nicht mehr aus dem Kopf gehen…”

Das Buch FERNE ZIELE ist im Verlag EDITION MAHLSTROM, Berlin erschienen.

Deutsche Erstausgabe Mai 2023

Copyright © dieser Ausgabe: Edition Mahlstrom

Artikelnr. des Verlages: EM 10001

Seitenzahl: 793

Email: service@edition-mahlstrom.de

Satz, Druck und Bindung: Druckhaus Sportflieger, Berlin

Printed in Germany

ISBN 978-3-00-075096-0

Bezugsquelle: https://www.edition-mahlstrom.de/

Über den Autor:

Bernd Kistenmacher, geb. Oktober 1960 in Berlin, lebt und arbeitet seit seiner Geburt in Berlin und bezeichnet sich selbst als „Mauerkind“. Hauptberuflich ist Bernd Kistenmacher Musiker, der im Bereich der elektronisch-symphonischen Musik arbeitet. Bereits 1984 hat er sein erstes Solo-Album „Romantic Times“ auf Kassette veröffentlicht. Weitere Solo-Alben auf Kassette, LP und CD sind gefolgt. Sein Oeuvre umfasst mehr als dreißig Alben. Seinen Backkatalog findet man heute auf der Internet-Plattform „Bandcamp“. Immer wieder hat Bernd Kistenmacher Konzerte im In- und Ausland gegeben; vorzugsweise in Planetarien, weil diese die ideale Infrastruktur für seine Musik bieten.

Bernd Kistenmacher hat 1986 sein erstes Label Timeless Sounds gegründet, dass in den darauffolgenden Jahren in Musique Intemporelle umbenannt wurde und heute unter dem Namen MIRecords firmiert. Früher veröffentlichte das Label zahlreiche Künstler aus dem Bereich der elektronischen Musik, so auch Klaus Schulze, Manuel Göttsching, Michael Hoenig, Agitation Free, Rolf Trostel und viele andere. Heute veröffentlicht Bernd Kistenmacher auf MIRecords ausschließlich eigene Produktionen.

Bernd Kistenmacher war der erste unabhängige Produzent, der Mitte der Neunziger Jahre und vor dem Siegeszug des Internet die Multimedia-Produktion „The M.I. Rainbow Collection“ produziert und veröffentlicht hat. Schon damals interessierte ihn die Verbindung aus unveröffentlichter Musik und Bereitstellung von Hintergrundinformationen über die jeweiligen Künstler mittels integrierter Datentracks. Damals ein absolutes Novum.

Heutzutage ist Bernd Kistenmacher als freier Autor für diverse Musikmagazine und –Plattformen tätig. 2020 hat er seinen eigenen YouTube Kanal „Freak Out Your Synth“ aufgebaut, auf dem er ausgewählte Synthesizer in Bild- und Ton vorstellt.

 

FERNE ZIELE – Es geht los!

Liebe Freunde,

langsam wird es Ernst. Oder Aufregend. Ganz wie man es sehen will.

Endlich! “FERNE ZIELE – Geschichten über die Berliner Schule für elektronische Musik“,mein erstes Buch nimmt nun konkrete Formen an. Was bedeutet das? Das bedeutet, dass das Skript nach drei Jahren Arbeit kurz vor seinem Abschluss steht. Nur noch wenige Ergänzungen und Korrekturen sind zu vollbringen. In Kürze werde ich also das Projekt beenden und es einer kompetenten Druckerei in Berlin zur Realisierung übergeben. Die Veröffentlichung des Buches ist für Mitte Mai 2023 geplant. Der Vorverkauf wird allerdings schon vorher beginnen. Und dann seid ihr gefragt!

Dazu wird bald die neue Website und der Online-Shop meines eigens für dieses Projekt gegründeten Verlags “Edition Mahlstrom” freigeschaltet werden. Details dazu folgen hier und in den sozialen Netzwerken. Ihr wollt das volle Paket Berliner Schule? Mit FERNE ZIELE werdet ihr es bekommen. Auf 798 Seiten!!! Und wer sich schon vorab informieren will, darf gerne im Verzeichnis lieferbarer Bücher nach der ISBN 978-3-00-075096-0 Ausschau halten. FERNE ZIELE wird dann garantiert auftauchen. Wie gesagt, mehr Informationen hier und an anderer Stelle in Kürze.

Bin ich aufgeregt 🙂

Bis bald und bleibt verbunden.

Euer

Bernd Kistenmacher

Bernd Kistenmacher FERNE ZIELE – Geshhichten über die Berliner Schule für elektronische Musik – Edition Mahlstrom, Berlin