Das so etwas heute noch möglich sein könnte, hätte der Autor niemals gedacht, wenngleich dennoch erhofft.
Bereits in meinem Buch FERNE ZIELE – Geschichten über die Berliner Schule für elektronische Musik habe ich in einem größeren Kapitel an den Journalisten und Musiker Walter Bachauer und die von ihm organisierten Metamusik-Festivals 1974 und 1976 erinnert. Der grenzüberschreitende Blick auf das weltmusikalische Geschehen war damals etwas besonderes und einmaliges. So etwas hatte es vorher nur ansatzweise und in kleinerem Rahmen gegeben, undzwar zu einer Zeit, wo es den Begriff Weltmusik noch gar nicht gegeben hat. Interessant war, das Walter Bachauer dabei auch immner die Musikelektronik als neuen und ungehörten Klangkörper in das Gesamtkonzept eingebunden hat, wie die Auftritte von Terry Riley, Tangerine Dream und Klaus Schulze eindrucksvoll belegten.
Das alles ist bereits 50 Jahre her und aus diesem Anlass hat der Autor Thomas Grötz zwei Features für den Deutschlandfunk Kulter produziert, die an alles erinnern: Walter Bachauers Gedanken zur Metamusik, Hintergrundinformationen zu den Festivals, O-Töne von Peter-Michael Hamel, Michael Hönig und anderen, sowie viele Ausschnitte aus den präsentierten Konzerten. Sogar Klaus Schulzes Auftritt hat es auszugsweise in das Feature über das Metamusikfestival 1976 geschafft!
Vor dem Hintergrund der aktuellen Sparmaßnahmen des Berliner Senats und der damit einhergehenden Gefährdung auch und gerade von Berliner Off-Kunst-Projekten, sollte man sich diese Features nicht entgehen lassen. Das ist eine wunderbare Zeitreise die eigentlich nur eines sagt: das alles war einst einmal in Berlin möglich…
Bernd Kistenmacher FERNE ZIELE – Gecshichten über die Berliner Schule für elektronbische Musik – Edition Mahlstrom, Berlin
Langsam ist es soweit. Die letzte Auflage des Buchs “Ferne Ziele – Geschichten über die Berliner Schule für elektronische Musik” nähert sich dem Ausverkauf.
Im Online-Shop stehen aktuell nur noch 5 Exemplare. Wer noch ein Weihnachtsgeschenk sucht, sollte sich beeilen. In diesem zusammenhang weisen wir auch auf die bevorstehende Preiserhöhung für den Versand hin (siehe Hinweis am Ende dieses Beitrags).
Das Buch kann im Online-Shop der Edition Mahlstrom problemlos bestellt werden.
Vielen Dank
Hinweis:
Bei DHL steigen die Kosten
Auch Päckchen und Pakete werden teils deutlich teurer. Das Päckchen S kostet ab Januar 4,19 Euro statt 3,99 Euro. Die Kosten für das Päckchen M steigen von 4,79 auf 5,19 Euro. Außerdem wird auch das nun online buchbare Paket 2 kg teurer. Hier steigen die Kosten von 5,49 auf 6,19 Euro. Das Paket 5 kg verteuert DHL von 6,99 auf 7,69 Euro. Alle anderen Paketprodukte bleiben unverändert. Die Preise für Päckchen und Pakete für Privatkunden ins Ausland werden hingegen vorerst nicht erhöht. Eine Preis- und Portfolioanpassung für internationale Privatkundenpakete erfolgt voraussichtlich zum 1. Juli 2025.
“… Gert konnte extrem viel Geheimnisse um sein Leben, aber auch um seine Arbeit machen. Niemals ließ er wirklich tief blicken. Vor allen Dingen dann nicht, wenn er wieder neue Pläne schmiedete, wenn er wieder an der Umsetzung neuer Ideen arbeitete. Alles, was er tat, war immer von einem großen Geheimnis umgeben. Der Superbooth 2024 stand im Mai an und es galt Vorbereitungen zu treffen. Gert hatte still und leise an neuen Modulen gearbeitet und wollte diese – natürlich voller Stolz – an seinem Stand im Berliner FEZ präsentieren. Wie immer.
Wir waren eine kleine Gruppe von Freunden, die sich durchaus regelmäßig in einer Berliner Pizzeria traf, um gemeinsame „Arbeitssitzungen“ angemessen zu begehen und jeglichen Klatsch und Tratsch auszutauschen, der zwischenzeitlich wieder aufgelaufen war. So auch am 02. Mai dieses Jahres. Gert genoss diese Treffen. Man konnte es ihm ansehen. Selbst wohl kein großer Koch, mochte er es im Beisein von Freunden gut zu essen und ein Glas Rotwein zu genießen. Der Abend endete natürlich in fröhlicher Stimmung. Gert hatte einen Mietwagen gebucht, denn wie immer, machte er kurz vor dem Superbooth eine kleine Reise nach Dänemark. Ein Land, dass er sehr mochte. Dort hatte er im Nordwesten ein Ferienhaus angemietet, in das er sich gerne eingrub, um final an seinen Plänen zu feilen oder um zu lernen, zum Beispiel wie ein Mischpult funktioniert, dass er sich eigens für den Superbooth gekauft hatte. „Noch mal den Kopf freikriegen“ hatte er einmal gesagt. Am 02. Mai 2024 trennten sich unsere Wege in Berlin. Er fuhr in seinem Mietwagen noch vor mir her und bog dann nach links ab. Ich nach rechts. Wieviel Grausamkeit in Banalem stecken kann, war mir in diesem Moment nicht bewusst, aber das war das letzte Mal, dass ich ihn gesehen habe. Im Rückspiegel. Gert kam einen Tag später in Dänemark an. Am 05. Mai postete er noch ein lustiges Bild auf Facebook. Alles schien soweit in Ordnung zu sein…
Am 15. Mai 2024 begann im FEZ der Aufbau für den am folgenden Tag beginnenden Superbooth. Alle waren da, nur der Tisch von Gert Jalass blieb leer. Wir gingen mit einem unguten Gefühl auseinander. Viele Freunde hatten versucht, Gert auf den unterschiedlichsten Kanälen zu erreichen. Schon seit Tagen. Am 16. Mai herrschte dann Gewissheit. Die dänische Polizei hatte sich gemeldet und uns informiert, dass Gert Jalass am 07. Mai 2024 am Strand mit Herzversagen zusammengebrochen war. Ein Rettungshubschrauber war wohl gekommen und man hatte ihn in eine Klinik geflogen. Am 10.05.2024 wurde er um 16.30 Uhr für Tod erklärt.
Der Schock darüber hat uns alle tief getroffen. Eigentlich verstehen wir noch immer nicht, was da passiert ist. Und das wird wohl auch lange so bleiben.
Mit Gert Jalass hat nicht nur einer der wichtigsten Instrumentenbauer unserer Zunft die Bühne verlassen. Vielmehr noch: wir haben einen lieben Freund verloren. An die Zeit mit ihm werde ich mich immer und gerne erinnern.
Ruhe in Frieden Gert”
Gert Jalass wurde am 17.09.2024 in Berlin-Schmargendorf beigesetzt.
Wir danken allen, die von ihm Abschied genommen haben. Gert Jalass bleibt unvergessen…
Ich weiß nicht, weshalb 2024 so ein schreckliches Jahr ist und ich möchte eigentlich gar nicht wissen, was da noch kommen wird, denn die schlechten Nachrichten wollen einfach nicht enden.
Zuerst wurde mit der endgültigen Schließung von JustMusic Berlins größtes Musikhaus dem Erdboden gleichgemacht, wodurch die Hauptstadt ein weiteres, wichtiges Zahnrad im bereits stotternd laufenden Kulturbetriebsgetriebe verloren hat. Dann verstarb plötzlich und unerwartet mit Gert Jalass einer der wichtigsten und engagiertesten Konstrukteure analoger Modularsysteme (Fa. MoonModular). Das mag für die meistens ein unbedeutendes Ereignis sein. Für die Elektroszene, also für die Freunde elektronischer Musik, war es ein Schock, der noch immer nicht überwunden worden ist. Nun die nächste Hiobsbotschaft. Der RBB setzt zum Ende des Monats die beliebte Sendung „Elektro Beats“ ab. Die letzten Sendungen sind produziert und werden ausgestrahlt, aber dann ist Schluss. Für immer. Dem Vernehmen nach ist das keine Entscheidung von RadioEins, sondern vom Programmdirektorium. Schönen Dank dafür. Ich weiß nicht, wie oft ich es in den vergangenen 50 Jahren erleben durfte, dass Quote und Kosten (von an anderer Stelle verplemperten Gebühren-Millionen) über den Kulturauftrag gestellt worden ist und das wichtige Sendungen, die musikalische Nischen bedient und unbekannten Künstlern zu Gehör und Aufmerksamkeit verholfen haben, eingestampft worden sind. Jedes Mal wurde die deutsche Radiolandschaft ein Stück ärmer und langweiliger. Anstatt die Hörer*Innen, speziell die Jüngeren, für das Medium Rundfunk zu Interessieren und zu begeistern, indem man die Spielarten der Musik in ihrer gesamten Breite präsentiert, wird nur noch die doofe Pop-Einheitssauce serviert. Wie armselig ist das denn und wen will man damit eigentlich anlocken?
Im Falle der „Elektro Beats“ kann man von einem Nischenprogramm schon lange nicht mehr reden. Elektronische Musik ist in all den Jahren zu einem festen musikkulturellen Bestandteil, ja im Grunde zum Mainstream geworden. Das ist auch der hervorragenden und jahrzehntelangen Arbeit von dem Host der Sendung, Olaf Zimmermann, zu verdanken. Ich kenne Olaf seit 1987. Damals hat er noch für den Rundfunk der DDR die ebenfalls zum Kult gewordenen Sendungen „Zwischen Himmel und Erde“ und dann “Electronics” gemacht, denen im Westen nur die WDR-Sendung „Schwingungen“ von Winfrid Trenkler gegenüberstand. Das es auch diese Sendung schon seit Jahrzehnten nicht mehr gibt, muss hier nicht weiter erwähnt werden. Das elektronische Musik in den Köpfen verantwortlicher Rundfunkräte niemals stattgefunden hat, für wichtig befunden und als ein ureigener deutscher Kulturbeitrag erkannt worden ist, geschieht nicht erst seit gestern und wird sich mit dem Ende der „Elektro Beats“ auch nicht ändern. Weshalb auch? Es gibt keine Lobby, die stark genug für einen Erhalt derartiger Sendungen wäre.
Nach dem Fall der Mauer wechselten die Sender, aber Olaf Zimmermann baute weiter und mit zunehmendem Erfolg an dem, das mit den „Elektro Beats“ schließlich zu der wichtigsten Sendung für die Präsentation elektronischer jeglicher Couleur werden sollte. Wer sich über das Who-is who nicht nur der deutschen, sondern auch der internationalen Elektroszene ein Bild machen will, sollte die Gästelisten studieren. Von Pionieren bis zu Newcomern, von Top-Stars bis zu Künstlern, die erst am Anfang ihrer Karriere standen, war alles vertreten, was Rang und Namen und Relevanz hatte. Das ist nun vorbei. Und ganz am Rande: abermals wird es für die Künstler weniger Einnahmen z.B. durch die GEMA geben. Ob wirklich alle durch die Künstlersozialkasse abgesichert sind??? Aber wen interessiert das schon? Die, die bei den Sendern des öffentlich-rechtlichen Rundfunks Aber-Millionen für ihren Wasserkopf verschleudern, die, wenn es dann eng wird, nach Erhöhung der Rundfunkgebühren rufen und dennoch nicht bereit sind, den Hörerwillen durch ein angemessenes Programm abzubilden, ganz bestimmt nicht. War das jetzt Polemik? Na klar. Ich bin zu wütend, als das ich aktuell andere Gefühle zulassen könnte.
Ich wünsche Olaf Zimmermann alles Gute für die Zukunft. Ich hoffe, dass er weiterkämpft und einen Weg finden wird, den „elektronischen Traum“ noch ein wenig länger am Leben zu halten.
aktuell läuft der Verkauf der letzten Exemplare des Buchs “FERNE ZIELE – Geschichten über die Berliner Schule für elektronische Musik” im Webshop der Edition Mahlstrom.
Nach diesem Ausverkauf wird es keine weitere Nachauflage des Buches geben, jedenfalls nicht in dieser Form.
Desweiteren geben teilen wir mit, dass wir den internationalen Verkauf eingestelllt haben. Das Buch ist ab sofort nur noch erhältlich für jemand, der in Deutschland wohnt oder dort eine Versandadresse hat.
Der Preis für ein Buch beträgt noch 79,00 Euro. Der reduzierte Versandpreis von 5,00 Euro bleibt weiterhin bestehen. Wer FERNE ZIELE also sein Eigen nennen möchte – gerne auch mit Signatur des Autors – sollte langsam zuschlagen.
Vielen Dank für Euer Interesse. Wir freuen uns auch Euren Besuch in unserem Webshop.
FERNE ZIELE – Geschichten über die Berliner Schule für elektronische Musik Erschienen 2023, Edition Mahlstrom
Die legendäre Progressive- Krautrockband Agitation Free wurde bereits 1967 gegründet. 1972 erschien dann mit “Malesch” das Debütalbum,- mittlerweile ein vielbeachteter Klassiker.
Nach 24 Jahren ist Ende letzten Jahres mit “Momentum” ein neues Agitation Free- Studioalbum erschienen und Olaf Zimmermann begrüßt in der ersten “elektro beats”- Stunde Michael Hoenig und Lutz Graf-Ulrich (Lüül) als seine Studiogäste. Neben dem Eintauchen in den Produktionspress, geht es auch um die Historie von Agitation Free und es gibt natürlich die Klärung der Frage, wie es zum Gruppennamen kam.
Hier geht es zur Website von Elektro Beats. Ausstrahlungstermin ist Sonntag, der 28.01.2024 | 21:00 – 23:00. Danach gibt es die Sendung auf YouTube zum nachhören.
Bald Vergangenheit – DerJustMusic FlagShipStore in Berlin
Die Nachricht schlug für mich ein, wie eine Bombe. Zuerst rief mich ein Freund an, dann telefonierte ich mit einem langjährigen Mitarbeiter von JustMusic und mittlerweile gibt es auch eine offizielle Bestätigung: JustMusic, Berlins größter Handel für Musikinstrumente und das letzte Geschäft einer kleinen, deutschlandweit arbeitenden Kette, macht 2024 dicht. Dann wird Berlin über kein großes Musikgeschäft mehr verfügen. Ob es die Mitbewerber freuen wird? Ich hoffe nicht, denn es wäre eine dumme und zu kurze Sicht auf die Probleme dahinter. Und die bestehen schon seit geraumer Zeit.
Das dunkle Wolken über JustMusic hingen deutete sich bereits seit Jahren an. Das offensichtliche Problem betrifft jeden, der von „echtem“ Handel heutzutage leben will. Im Geschäft wird informiert und probiert, im Internet wird gekauft. Mit etwas Glück zu einem günstigeren Preis. Wer will es einem verdenken? Sparsamkeit geht vor Loyalität. Das ist das Problem eines jeden „Kaufhauses“. JustMusic war eines davon.
Wer aber über JustMusic spricht, sollte nicht übersehen, wie dieses Geschäft einst entstanden ist. Die Geschichte beginnt Ende der 70er mit einem kleinen Geschäft für Schlagzeuge in der Pariser Straße in Wilmersdorf, das von dem Unternehmer Jochen Stock gegründet und als Drumland etabliert wurde. Schnell sprach sich in der vitalen West-Berliner Musikszene herum, was da geschah. Es wurden weitere Geschäfte „um die Ecke“ angemietet und alsbald war das Sound & Drumland die erste Adresse für Musikinstrumente und Studiotechnik. Einfach jeder aus der Szene ging dahin. Und war es nur für einen Kaffee und etwas Fachsimpelei. Die Preise für die angebotene Ware waren schon damals immer an der oberen Kante. Man konnte das Verlangen, denn es gab kaum Konkurrenz. In meinem 2023 erschienen Buch „FERNE ZIELE – Geschichten über die Berliner Schule für elektronische Musik“ erinnere ich mich gerne an das ehemalige Sound & Drumland; lernte ich dort doch Anfang der 80er Jahre viel kennen, probierte viel aus und erfuhr, wie freundlich, kompetent und geduldig die Mitarbeiter damals sein konnten. Das alte S & D war wie eine Familie, die allerdings zunehmend in beengten Verhältnissen operieren musste. Der Musiksektor explodierte damals in jede Richtung. Gerade in den neunziger Jahren wurden maßgeblich Entwicklungssprünge im Bereich der Studiotechnik und Musikproduktion gemacht. Dem musste man gerecht werden. Man hätte sicherlich aus vielen Gründen nicht mehr lange so klein und beschaulich bleiben können. Ein Dilemma. Doch Jochen Stock hatte längst andere Träume. Sein Geschäft musste größer werden. Das scheint er zumindest als Lösung und Antwort auf die wachsende und stärker werdende Konkurrenz erkannt zu haben, die nun nicht mehr in Berlin saß, sondern überregional und auch international operierte. So wurde dann schließlich das Sound & Drumland beerdigt und in JustMusic umbenannt. Die Mauer fiel und Jochen Stock setzte alle Hebel in Bewegung, um JustMusic stadtweit zu etablieren. Zunächst mit einem zweiten Geschäft in der Rathauspassage, das kurze Zeit später dann in die Kulturbrauerei zog. Aus meiner Sicht war das eine brillante Location und eine clevere Lösung zugleich, denn der Westen, wie der Osten hatten nun „ihr“ JustMusic und es blieb trotzdem alles in der Familie. Jochen Stock arbeitete aber an einem anderen Plan, der nichts anderes, als die Integration aller Abteilungen in einem Haus vorsah. An sich keine schlechte Idee. Und so wurde 2013 der erste FlagShipStore in Berlin-Kreuzberg am Moritzplatz eröffnet. Das ist natürlich ein mächtiges und schickes Ding gewesen. Wohl gefühlt und heimisch geworden bin ich da aber nie. Das Geschäft ist zwar zentral gelegen, ist aber schlecht erreichbar. Die Parkmöglichkeiten sind katastrophal schlecht und selbst das Parken auf dem Hof macht nur wenig Spaß, muss man sich doch erst in das Geschäft bewegen, um eine Parkmünze abzuholen. Auch die Abteilungen waren mir zu kalt und ich vermisste das Enge und muckelige aus alten S & D Zeiten. Ob es anderen auch so erging?
Neben dem Standort in Berlin bestand JustMusic nun aus großen Geschäften in Hamburg, München und Dortmund, Dann gab es noch eine Piano-Galerie am alten Standort in der Fasanenstraße. Gerade diese Filialen mussten im Jahr 2020 wieder schließen. Mit der Pandemie hatte das nichts zu tun. Ich will nicht zu viel spekulieren, aber vermutlich konnte man mit der Konkurrenz nicht mehr mithalten. Selbst die größten Bemühungen und der beste Service machen den Verkaufspreis einer Sache nicht wett, wenn dieser im Internet torpediert wird. Das ist nun mal so.
Der Autor mit Philip Kasiske vons der Keys-Abteilung
Nun ist also auch das Schicksal des JustMusic FlagShipStores besiegelt und neben den bereits erwähnten Problemen, wie der angespannten Marktsituation und einem aus meiner Sicht falsch gewählten Standort, identifiziere ich noch ein anderes Problem, das eine wesentlich größere Tragweite hat: heute wird auf tradionelle Art kaum noch Musik gemacht! Berlin war einst eine Musikstadt mit zahllosen Rockbands, Kapellen, Bigbands und Orchestern. Und es gab reichlich Aufführungsmöglichkeiten für jede Art von Musik. Jedenfalls mehr, als heute. Natürlich ist Berlin noch immer eine Musik-Stadt. Aber gerade für junge Musiker, für Einsteiger gibt es weder ausreichend Übungsmöglichkeiten, noch Anreize von offizieller Seite aus. Zur Erinnerung: es gab in Berlin auch mal Senatsrockwettbewerbe und offiziell organisierte Großevents für Pop- und Rockmusik. Das alles gibt es nicht mehr. Die Pandemie hat das Problem dann noch verstärkt, denn Clubs, aber auch Musikschulen wurden geschlossen und bis heute nicht mehr geöffnet. Auch das Branchenevent überhaupt, die Musikmesse in Frankfurt gibt es seit 2022 nicht mehr. Gibt es im Fernsehen noch Musiksendungen? Außer im Volksmusikbereich nicht mehr. Ich denke nicht, dass ich mich zu weit aus dem Fenster lehne, aber ich glaube, dass das ein nationales Problem ist. Kinder erlernen heute kaum noch ein Instrument. Es gibt keine Anreize, keine Anleitung, keine Begeisterung, keine Motivation und keine Möglichkeiten. Ein Instrument zu erlernen erfordert eine gewisse Hingabe und Disziplin. Nur woher soll die kommen, wenn niemand mehr den Kindern vorlebt, wieviel Freude das bereiten kann und man sie damit begeistert? Und diese Kinder wären dann ja auch die Kunden von morgen oder eben nicht. Und deshalb denke ich, dass das Ende von JustMusic kein lokales Problemchen ist, sondern eine Warnung für die gesamte Branche sein muss. Was da gerade passiert, kann morgen jedem anderen auch passieren. Ein Musikhandel steht nicht isoliert in einem selbstgestalteten Universum. Er ist Bestandteil eines größeren Ganzen, das vernetzt ist und ineinandergreift. Ein Musikhandel ist eben auch Bestandteil einer kulturellen Identität.
Nachtrag vom 18.03.2024
JustMusic Berlin hat nun offiziell und für alle Zeiten geschlossen…
Das dicke Ding – FERNE ZIELE von Bernd Kistenmacher kann nun innerhalb Deutschlands ohne Versandkosten bei der Edition Mahlstrom bestellt werden. Einfach ein Buch in den Warenkorb schieben und den Checkout-Prozess starten. Besteller aus Deutschland werden nun bei den Versandkosten eine fette Null sehen. Na wenn das kein Weihnachtsgeschenk ist, dann wissen wir auch nicht weiter 😉
Dieses Angebot gilt bis zum 15. Januar 2024.
Also, fröhliche Weihnachten, ein gesundes, neues Jahr und Peace!
An dieser Stelle werden exklusiv Auszüge aus Bernd Kistenmachers Buch “FERNE ZIELE – Geschichten über die Berliner Schule für elektronische Musik” veröffentlicht. Diese Aktion soll dabei helfen, dieses beinahe 800 Seiten starke Werk besser kennenzulernen und darauf neugierig zu machen. Ihr dürft euch also auf eine Menge spannender und interessanter Geschichten rund um die Berliner Schule für elektronische Musik freuen.
In FERNE ZIELE werden nicht nur Geschichten über das Lebensgefühl in West-Berlin oder die musikalischen Macher der Berliner Schule erzählt. Dieses Buch ist auch den “Architekten”, den technischen Machern im Hintergrund gewidmet. Menschen, ohne deren Beitrag die Musiker der Berliner Schule ihre Visionen kaum hätten so realisieren können, wie ihnen das letztlich gelungen ist. Einer dieser Architekten ist der Berliner Ingenieur Hartmut Heinze, der mit seiner Firma Projekt Elektronik einen wesentlichen Beitrag zur musikalischen Entwicklung und Präsentation der Band Tangerine Dream beigetragen hat.
Mit einem Ausschnitt aus seinem Gespräch mit mir über seine Zeit mit und bei Tangerine Dream endet die Werkschau und Reise durch “FRNE ZIELE”. Wer alle Geschichten über die Berliner Schule für elektronische Musik lesen möchte, sollte sich unbedingt das Buch zulegen.
Bernd Kistenmacher 1988 on stage with from Christoph Franke borrowed system from Projekt Elektronik (visible in background)
“Gespräch mit Hartmut Heinze (Projekt Elektronik) am 03.10.2019
Vielen Dank für Ihre Zeit Herr Heinze. Wann haben Sie zum ersten Mal Kontakt zu Tangerine Dream bekommen?
Dass muss bei einem Konzert in der alten TU Mensa gewesen sein. Da spielten Amon Düül als Vorgruppe glaube ich. Da sind damals schon die ersten Fetzen geflogen. Ich bin 1966 nach Berlin gekommen und ins Studium eingestiegen. So in dieser Zeit muss es gewesen sein. Vielleicht auch etwas später.
Woher kommen Sie?
Ich komme aus Westfalen. Also geboren bin ich in Schlesien, in Westfalen aufgewachsen.
Und dann sind Sie nach Berlin wegen des Studiums gekommen oder sind Sie vorm Bund geflüchtet?
Nein, wegen des Studiums. Mein Vater ist mit mir zum Wehrersatzamt gegangen und hat gesagt: „Kollegen, den kriegt ihr nicht“.
Das ist ein wenig wie mit meinem Opa. Der hat in Stalingrad ein Bein verloren. Aber obwohl mein Vater Berliner gewesen ist, hat er doch mit der Bundeswehr geliebäugelt. Irgendwie fand er das gut. Aber sein Vater sagte: „Das machst du nicht.“ Da waren auch viele vom Krieg traumatisiert.
Ja, ja, das war bei Vater auch so. Er ist um Stalingrad drumherum gekommen, weil er vorher eine Verwundung hatte. Und ich habe dann nach dem Krieg mitbekommen, wie ihm dieses „verführt werden“ klargeworden ist. Also wir haben nicht ein kontinuierliches Gespräch darüber gehabt. Ja, auf die Art und Weise bin ich drumherum gekommen. Bin dann hier in Berlin gewesen, Praktikum gemacht, studiert bis zum Ende, 15 Semester lang. Aber ich hatte einen Onkel, der sagte: „Junge, mach das so lange wie du kannst, danach gibt es keine Zeit mehr dafür.“ Bin dann irgendwann auf Christoph Franke gestoßen. Ich habe nebenbei auch Reparaturen ausgeführt. Diskothekenreparaturen und im Musikbereich, wenn etwas defekt war usw., um das Studium zu finanzieren. Und ich nehme an, dass da ein Kontakt entstand. In der Zeit hatte ich mit Frank Jürgen Krüger zu tun. Sagt er Ihnen was?
Ja sicher.
Das war Frank Jürgen Krüger (Künstlername Eff Jott). Der spätere Gitarrist von Ideal. Und mit ihm zusammen haben wir Feierabendjobs gemacht. Leider ist er vor einiger Zeit schon gestorben. (26. April 2007)
In den 70ern? Also lange bevor es Ideal gab? Die Neue Deutsche Welle war ja erst in den 80ern.
Das war noch vor Ideal. Da gab es jemand, der hat Gitarren hergestellt. In einer Seitenstraße vom Ku‘damm. Der hatte dort einen Keller. Und eines Tages sagte Krüger: „Ey, da musst du mal mitkommen, dort ist jemand im Keller, der baut Aluminiumgitarren. Für sehr teures Geld, für die größten Musiker der Welt.“ Solche verrückten Connections gab es damals. Ja. Und dann kam Christoph. Und Christoph sagte: „Hallo, kannst du diese drei Moog Geräte reparieren?“
Das war der berühmte Ankauf der Meisel Brüder von den Rolling Stones?
Genau, der stand im Hansa Studio und keiner hat es genutzt. Was daran jetzt defekt war, weiß ich nicht mehr. Jedenfalls haben wir erst mal die Netzteile repariert und dann gingen da schon mal die Lampen an, wir haben die Stecker gereinigt und so weiter. Christoph war dann sofort Tag und Nacht an den Geräten. Er hat es auch geschafft, von Moog Pläne zu bekommen. Wo jeder gesagt hat: „Der Moog gibt keine Pläne raus.“ Wir hatten so die neusten Pläne, auch für einen komplexen Einschub später. Dann sind die Moog Synthesizer erst mal in Gang gekommen. Die drei Geräte, die noch von den Stones übriggeblieben sind, hat TD dann in der Australien-Tournee eingesetzt.
1975 war das
Bei einem Crash, ich weiß nicht genau wie, sind die Geräte beschädigt worden. Sie haben sofort Techniker aufgetrieben, die die Geräte wieder reparieren konnten. Ich glaube es ist auch ein Konzert ausgefallen (18. März 1975 Auckland Town Hall). Sie kamen wieder und haben gesagt: „So, jetzt müssen wir was Neues haben. Das muss einen Meter tief fallen können und trotzdem noch Musik machen.“ Das waren so Fetzen, die mir jetzt in die Erinnerung kommen.
Also um noch am Anfang zu bleiben. Der Einstieg in diese Musik Elektronik Geschichte, der ging über Christoph Franke. Also, das war nicht so, dass diese sich entwickelnde Elektronik Szene auf Sie aufmerksam wurde? Zum Beispiel durch Klaus Schulze oder andere.
Nein, ich hatte mit der Elektronik Szene nichts zu tun. Ich war auch nicht dabei. Der Kontakt kam über Christoph Franke. Wir haben uns wunderbar verstanden, eine Begegnung der besonderen Art. Er stellt eine Frage und ich sagte nur: „Oh, ja, komm mal morgen.“ Oder er sagte mal: „Kann man da einen Schalter einbauen und alles geht eine Terz höher?“ – „Einen Schalter für eine Terz? Ich musste erst mal begreifen, was eine Terz ist, was ein Halbton und ein Ganzton sind, und wie das elektronisch gemacht wird. Nun kommt aber dazu, ich war lange an der Uni. Beziehungsweise ich war, glaube ich, fünf Jahre am Lehrstuhl tätig. Dort war ich an Analogrechnern tätig, habe auch sehr viel simuliert. Bei Analogrechnern hat man genau diese analogen Funktionen, die es im Synthesizer auch braucht. Hochstabile Spannungsgeber, hochstabile Teiler. All diese Poti Einstellungen und so weiter. Allerdings werden da keine Töne erzeugt, sondern Differenzialgleichungen abgebildet, also Zeitverläufe. Aber ich konnte mich dadurch ganz gut in die Materie reindenken. Und, ja, dann habe ich gesagt: „Ja, okay, da hast du den Schalter“. „Ja, die Terz stimmt nicht ganz. Kann man das einstellen?“ Ja, gut, eingestellt. Dann konnte er Melodien mit dem Sequenzer spielen, und dann Schalter hoch und das Ganze eine Terz höher. „Kannst du auch eine Quarte, kannst du auch eine Quinte einstellen?“ Ja, gut, also einen Schalter mit drei Stufen. Daraus ist dann so ein sehr selbstlaufender Kontakt entstanden. Also, das stimmt jetzt nicht so exakt in der historischen Reihenfolge. Aber er war damals in Spandau in der Altstadt in einem leeren Theater.
Das war doch ein ehemaliges Kino, oder?
Ja.
Ja, ich kenne das TD Studio noch in Spandau. Da war nur hinten so ein zweiter Raum, der war voll gefliest. Da stand ein Schlagzeug drin.
Ja. 1974 haben wir in der Friedrichstraße die Firma Projekt Elektronik gegründet. Dann war ich abends, sechs, sieben Uhr in Spandau bei ihm draußen. Wir hatten Pizza, Cola und Technik. Es war die Zeit von Pink Floyd, Ummagumma. Da war das große Konzert in der Eissporthalle. Der Hammer bei Ummagumma war, sie hatten eine Quadrophonie Anlage und sie konnten, Dong, Dong, Dong, Dong, Dong (im Kreis herum) steuern. Das haben wir nicht aus dem Kopf bekommen. Es war eines der ersten Geräte, die wir hergestellt haben, so einen quadrofonischen VCA (Voltage Controlled Amplifier). Wir haben auch diesen VCA im Konzert eingesetzt. Es gab die Konzerte von Radio Luxemburg in L‘orange. Alle Gruppen, die in Europa auf Achse waren, waren drei Tage in L’orange. Ab 19 Uhr abends jede Stunde eine Band. Bis zwei Uhr nachts. Ich war auch ein- oder zweimal mit dabei. Wir hatten den VCA, glaube ich, auch noch eingesetzt, aber dann kam jemand von der Sicherheit und sagte: „Ihr müsst es ausmachen, es geht da Besuchern nicht gut.“ Weil Schwindeleffekte entstanden.
Und jedenfalls in Spandau war die Zeit noch vor den großen Synthesizern. Er hatte aber schon den großen Moog. Ich habe für Christoph erst Rhythmusmaschinen gebaut. Diese hatten dann schon die ersten VCAs, auch die ersten Spannungsgeber. So ähnlich wie die Time Control von Moog. Die Time Control von Moog hatte aber einfach Potentiometer für grob und für fein. Wir haben Module hergestellt, die schon fest einstellbare Stufen hatten. Eins, zwei, drei, vier, fünf Oktaven, die sehr genau eingestellt werden konnten.
Also schon quantisierte Sequenzer?
Ja, quantisiert. Also nur in Stufen wählbar. Über fünf Oktaven und zwölf Halbtöne. Man konnte dann während des Spielens ganz gezielt vorgeben: „Ich gehe um so und so viele Halbtöne, und so viele Oktaven weiter (transponieren). Ohne zwischendurch die Harmonie zu verlieren. Das war ein großer Fortschritt. Für Christoph war es wichtig, dass er ganz lange Taktgeber hatte (Sequenzer mit vielen Schritten). Das haben wir dadurch erreicht, dass er zwar Sequenzer mit acht Reihen hatte, aber er konnte sie umschalten. Die ersten acht, die zweiten acht. Wir hatten teilweise zwei und drei solche Einheiten, die in Reihe geschaltet werden konnten. Also, die ersten acht oben, die zweiten acht unten, die dritten acht beim zweiten oben, die vierten acht beim zweiten unten. Dadurch kamen ganz lange Sequenzen zustande. Das war wieder etwas, wo alle sagten: „Oh, wie geht das?“ Die Insider wussten ja, es ist ein Achter-Schema (basierend auf den Sequenzern von Moog mit acht Schritten je Reihe).
Also, der erste Sequenzer, der hier so bekannt wurde, war neben denen von Moog, der Sequenzer Synthanorma von Matten & Wichers. Das war so der „Kraftwerk Sequenzer“, den aber auch schon zum Beispiel Tangerine Dream hatten.
Ja, ich weiß nicht, ob der Wolfgang Palm (PPG) auch sowas hatte. Ich meine ja.
Der Palm hat auch Sequenzer gebaut, aber die waren trickreicher als die Moog Sequenzer.
Ja, Moog war die Grundlage. Moog (Bob Moog) hat überhaupt erst mal eine Idee in den Raum gesetzt: „Ich kann achtmal hintereinander einen beliebigen Ton erzeugen.“ Genauigkeit und wie gut das stimmt, das war später gefragt. Man konnte Dong, Dong, Dong, Dong, Dong, Dong einstellen. Und da waren alle schon hin und weg. Das nächste war, mehrere Sequenzen sehr genau einstellen zu können, sie in verschiedenen Stücken abzurufen. Wenn vier Achter Gruppen eingestellt waren, konnte man die eine Achter Gruppe immer laufen lassen, oder erste, zweite Achter Gruppe. Oder erste, dritte. Oder erste, zweite.
Na das ist ja eben die „Kunst des Sequencing“, dass man eben auch verschiedene lange Sequenzen gegeneinander laufen lässt und die treffen sich ja trotzdem irgendwann an einem Punkt. Das ist ja das, was der Michael Hoenig in seiner Musik praktiziert hatte. Er hat ja damals Sequencer sehr intensiv eingesetzt und war auch für kurze Zeit bei Tangerine Dream.
Genau.
Also mit Christoph Franke ging es bestimmt ein halbes Jahr, wo wir in Spandau jede Nacht gearbeitet haben. Bin wieder nach Hause gegangen und entweder habe ich die Geräte mitgenommen oder gleich etwas umgebaut. Oder dann war klar, ich musste wieder ein Modul bauen, was da reinpasst und so weiter. Es begann auch schon, nicht mehr so viele Patchkabel einzusetzen, sondern mit bestimmten Voreinstellungen zu arbeiten. Wo kommt eine Signalquelle her und wo soll sie hingeführt werden.
Da wäre ja das passende Stichwort „Bussystem“. Dass im Grunde genommen die Module intern schon verschaltet sind. Und man nur einen Schalter umlegen braucht, um Effekte zu erzeugen. Ja. Es gab ja dann auch eigentlich diese Funktion dieses Multitriggers pro Schritt. Also dieses berühmte Ratcheting. Wo ja noch heute die Leute drauf abfahren.
Ich weiß, dass das ein Problem war, erst mal zu verstehen, was Christoph haben wollte. Also, irgendjemand hat in der Musik den Impuls dafür gesetzt, einen Trigger. Und dann sozusagen das Vielfache Echo hinterher, alles einstellbar. Es war damals mit der Hauptpunkt, was in Spandau erstellt worden ist. Es ging um diesen Multitrigger je Note oder je Schritt im Sequenzer.
Ja, das hat ja auch kein anderer gemacht. Das ist schon eure Erfindung.
Weiß ich nicht. Ich habe ja in der Musikszene so wenig Kontakt gehabt.
Christoph war eben ein extrem musikalischer Mensch, der auch sehr neugierig war und Lust darauf hatte, die Dinge weiter voranzutreiben.
Ja, Christoph war neugierig, beziehungsweise der hat einfach Ideen produziert. Das ist jemand, der immer etwas Neues entwickelt. Das ist so ein Bild, wenn man jemanden in der Art erlebt. Es war auch einfach von der Chemie her gut. Für mich war das so, ich war dann hier raus aus dieser physikalischen, technischen Ebene. Für mich war die Musik eben eine völlig neue Ebene. Auch zusammen mit diesen Musikern, insofern war ich in zwei Welten zuhause. Aber ich war teilweise auch ziemlich fertig, muss ich zugeben. Aber es ist gut ausgegangen.
Sind Sie denn auch Tourneebegleiter gewesen für die Technik? Um als Mann im Hintergrund da zu sein, wenn irgendwas schief geht? Oder war das auf gut Deutsch gesagt einfach so zuverlässig, dass man sagen kann: „Geht mal damit los“.
Ich bin mit nach L‘orange gefahren, mit nach Marseille zu einer Tournee. Dann teilweise direkt mit auf dem Truck. Wir sind zu dritt mit dem Equipment Richtung Südfrankreich gefahren. Beim nächsten Mal auch noch nach Marseille. Da kam noch hinzu, weil ich die Firma Projekt Elektronik hier hatte, konnte ich Tangerine Dream ein Carnet geben. Das Carnet ist praktisch das Begleitpapier für den Zoll. Alles was an Technik eingeführt wird, muss man beim Ausführen wieder nachweisen, ob es noch vollständig vorhanden ist. Das war möglich, weil ich eine GmbH hatte. Ich habe sozusagen über das Carnet für Tangerine Dream gebürgt. Das war, glaube ich, bei der Amerika Tour dann auch so. 1977 war die Amerika Tournee und zu der Zeit war auch schon der Big One (das erste große System von Projekt Elektronik für Peter Baumann) fertig. Ja, da fragten sie mich, ob ich nicht mit nach Amerika wollte. Ich müsste halt einen Schraubenzieher mitnehmen, einen Lötkolben und ein Messgerät. Ja, es war für sie halt eine Beruhigung. Das waren so die drei Ereignisse, bei denen ich dabei war. Bei weiteren Tourneen war ich nicht dabei. Vieles habe ich jetzt erst aus Edgars Biografie erfahren. Diese sechs Wochen Amerika waren für mich sehr gut.
Woraus das Live Doppelalbum Encore hervorgegangen ist.
Ja. Ich weiß. 76 ist der große Synthesizer für Peter Baumann fertig geworden. Bei Peter Baumann war es so, er kam schon mit sehr viel ganz klaren Ideen, wie ein komplexeres Gerät, was schnell zu bedienen und live zu bedienen ist, auszusehen hatte. Er hatte ein Riesenbild im Kopf. Oft auch bis ins letzte Detail.
Also, die beiden Systeme waren nicht identisch? Christoph hat ein anderes gehabt?
Ja, sie waren unterschiedlich. Bei Christoph war es damals mehr eine Rhythm Box, die ich hergestellt habe. Es kam auf diese Echos und Rhythmusschläge an, sie beliebig lang zu gestalten und die Sequenzen auch jederzeit umprogrammieren zu können. Bei Peter, ich habe doch hier ein Bild vom Peter. Da ist doch noch ein Bild (blättert in einem Buch). 1977, Greek Theatre in L.A., ja, das sind die Bilder, die hat mir TD mal zur Verfügung gestellt.
Ja, das ist auf der Website.
Ja, genau.
In L.A. war es der große Auftritt. In L.A. fuhren sie vorne im großen Auto. Der Staff (also wir) fuhren dann mit Abstand hinter her. Oder am Abend nach dem Konzert, weiß ich noch, abends um elf plötzlich berühmter Besuch, der sich gefreut und gratuliert hat. Die Amerikaner freuen sich riesig, wenn jemand Erfolg hat. Beim Konzert, da tauchte Gott und die Welt auf. Da habe ich dann auch gesehen und erlebt, wie berühmt Tangerine Dream gewesen ist.
Man hat es ja gesehen, als Edgar Froese gestorben ist, wie die deutsche Presse reagiert hat und wie das International bedauert worden ist. Aber so war das schon immer. Auch Klaus Schulze ist erst in Frankreich berühmt geworden bevor er in Deutschland bekannt wurde. Und für Tangerine Dream war durch Virgin Records der erste Hype in England, bevor sie hier bekannter wurden.
Ja, auch aus England habe ich sehr viel Feedback bekommen. Viele Musiker, die zum Beispiel 1977 in Amerika dabei waren, waren Engländer, die selber Musik gemacht haben. Vor eins, zwei Jahren habe ich von Ed Buller eine tolle Mail bekommen, wo er schrieb: „Ja, schau mal, was wir haben.“ Sie haben solche Geräte auch in England gebaut. Natürlich auch pechschwarz, dieselben Schemen…”
Bernd Kistenmacher FERNE ZIELE – Geschichten über die Berliner Schule für elektronische Musik
Bernd Kistenmacher, geb. Oktober 1960 in Berlin, lebt und arbeitet seit seiner Geburt in Berlin und bezeichnet sich selbst als „Mauerkind“. Hauptberuflich ist Bernd Kistenmacher Musiker, der im Bereich der elektronisch-symphonischen Musik arbeitet. Bereits 1984 hat er sein erstes Solo-Album „Romantic Times“ auf Kassette veröffentlicht. Weitere Solo-Alben auf Kassette, LP und CD sind gefolgt. Sein Oeuvre umfasst mehr als dreißig Alben. Seinen Backkatalog findet man heute auf der Internet-Plattform „Bandcamp“. Immer wieder hat Bernd Kistenmacher Konzerte im In- und Ausland gegeben; vorzugsweise in Planetarien, weil diese die ideale Infrastruktur für seine Musik bieten.
Bernd Kistenmacher hat 1986 sein erstes Label Timeless Sounds gegründet, dass in den darauffolgenden Jahren in Musique Intemporelle umbenannt wurde und heute unter dem Namen MIRecords firmiert. Früher veröffentlichte das Label zahlreiche Künstler aus dem Bereich der elektronischen Musik, so auch Klaus Schulze, Manuel Göttsching, Michael Hoenig, Agitation Free, Rolf Trostel und viele andere. Heute veröffentlicht Bernd Kistenmacher auf MIRecords ausschließlich eigene Produktionen.
Bernd Kistenmacher war der erste unabhängige Produzent, der Mitte der Neunziger Jahre und vor dem Siegeszug des Internet die Multimedia-Produktion „The M.I. Rainbow Collection“ produziert und veröffentlicht hat. Schon damals interessierte ihn die Verbindung aus unveröffentlichter Musik und Bereitstellung von Hintergrundinformationen über die jeweiligen Künstler mittels integrierter Datentracks. Damals ein absolutes Novum.
Heutzutage ist Bernd Kistenmacher als freier Autor für diverse Musikmagazine und –Plattformen tätig. 2020 hat er seinen eigenen YouTube Kanal „Freak Out Your Synth“ aufgebaut, auf dem er ausgewählte Synthesizer in Bild- und Ton vorstellt.