An dieser Stelle werden exklusiv Auszüge aus Bernd Kistenmachers Buch “FERNE ZIELE – Geschichten über die Berliner Schule für elektronische Musik” veröffentlicht. Diese Aktion soll dabei helfen, dieses beinahe 800 Seiten starke Werk besser kennenzulernen und darauf neugierig zu machen. Ihr dürft euch also auf eine Menge spannender und interessanter Geschichten rund um die Berliner Schule für elektronische Musik freuen.
Weiter geht es mit einem Auszug aus einem Gespräch mit einem meiner großen Berliner Schule Helden, dem Komponisten Michael Hoenig.
“Von Berlin nach Hollywood – Ein Gespräch mit Michael Hoenig
Michael, bevor wir in Dein Leben tiefer eintauchen, gehen wir vielleicht zum Anfang zurück. Ich wusste gar nicht, dass du in Hamburg auf die Welt gekommen bist?
Ja, ich bin in Hamburg geboren. Beide Seiten meiner Familie hatten im Krieg alles verloren. Mein Vater fand nach der Gefangenschaft 1950 Arbeit in Hamburg. Die Eltern waren also ökonomische Berlin-Flüchtlinge, zogen aber 1955 zurück nach Berlin.
Und da habt ihr dann in der Dernburgstrasse gewohnt?
Richtig, wir zogen in die Dernburgstrasse in Charlottenburg, sozialer Wohnungsbau, eine schöne Gegend nahe dem Lietzensee. In einer Zeit, in der sich viele Familien noch Wohnraum teilten, hatte ich bereits mein eigenes Zimmer.
Und wie bist du zur Musik gekommen? Waren deine Eltern musikalisch? Haben die irgendwie dich beeinflusst?
Von Musik war nie die Rede. Ich habe erst viele Jahre später erfahren das mein Ur-Ur-Urgroßvater angeblich einer der Gründer der deutschen Musikergewerkschaft war. Ich weiß aber keinen Namen. Und da waren auch Verbindungen zu Musikern und Schauspielern in der Familie die mir aber totgeschwiegen wurden…es war meiner Großmutter immer unangenehm.
Wie kamst du zur Musik?
Ich habe nie ein Instrument gelernt und hatte eigentlich keine musikalische Ausbildung. Als Teenager interessierte ich mich zwar für Kunst, Photographie und Theater, Klassik war aber irgendwie verpönt. Ein Besuch bei der Dokumenta IV 1968 rüttelte dann irgendwas wach, besonders ein Konzert in dem 7m x 7m Lichtwürfel von Geldmacher-Mariotti. In Berlin gab es zu der Zeit eine sehr lebendige Musik- und Kunst-Avantgarde, die anfing mich zu interessieren. Irgendjemand schleppte mich 1969 oder 1970 in das Studio in der Pfalzburger Strasse. Thomas Kessler leitete dort u.a. das Berliner Scratch Orchestra. Das war eine Gruppe aus Musikern und totalen musikalischen Laien basierend auf den Prinzipien von Cornelius Cardew’s Londoner Scratch Orchestra. Dort, was wir alle nicht wussten, spielte damals auch Brian Eno mit. Das Scratch Orchestra war eine Idee, bei der Musiker und Amateure zusammen versuchten abstrakte Ideen in Klang umzusetzen. Also, man stelle sich vor, eine typische Anweisung war zum Beispiel: …die ganze Gruppe geht nach draußen, alle setzen sich unter einen Baum, dann spielt jeder was er von dem Baum fühlt. Eine wunderbar abstrakte Herausforderung die noch heute genauso interessant ist wie damals.
Da wurde ja schon ein bestimmtes Ziel vorweggenommen?
Jetzt stell dir vor: Da sind Hausfrauen, Berliner Symphoniker, Hippies, Musikstudenten und irgendwelche Leute aus der Nachbarschaft, klassische Instrumente und mitgebrachte Klangerzeuger wie Kochtöpfe oder sonstige Klangerzeuger…. es gab ein Tonerlebnis, das keiner sich hätte vorstellen können. Ich fand es fürchterlich aufregend und die Erfahrung hat einiges ins Rollen gebracht.
Du hast ja vorher so ein Magazin oder ein Heft gemacht. LOVE?
Das war 68/69. LOVE war eine Idee von Frank Schickler. Der hatte einen Posterladen in der Mommsenstrasse in Charlottenburg. LOVE war glaube ich die erste Hippie Zeitschrift in Deutschland. Es ging hauptsächlich darum die damals besten Artikel oder Thesen von Village Voice, East Village Other oder dem San Francisco Oracle zu übersetzen. Ich habe Frank dabei bestenfalls ein wenig geholfen.
Also es kam von der amerikanischen Westcoast?
Es waren Artikel und Essays der Beat-Generation und der frühen Hippies, alles was uns inspirierte. Es gab auch Original-Beiträge aus Europa. Das war einfach eine wichtige Initiative als die ganze Acid-Bewegung verkrustete Denkweisen in Frage stellte, es ging um Bewusstseinserweiterung und gesellschaftliche Befreiung.
Also nicht so in Richtung Studentenrevolution?
Im Rückblick war das alles sehr politisch, aber nicht im Sinne der linken Studentenbewegung, sondern mehr im politischen Sinn der amerikanischen Beat-Generation. Die Linke Welle, die damals in Berlin lief, war quasi eine zweite Schiene, auf der wir alle auch parallel liefen.
Wo bist du damals in die Schule gegangen?
Nach dem Schiller Gymnasium war ich in der Hildegard-Wegscheider Schule im Grunewald, das einzige Berliner Gymnasium, das einen Sozialwissenschaftlichen Zweig hatte. Das interessierte mich in der Oberstufe mehr als Latein.
Du hast dein Abitur da gemacht?
Ja. Wie kann ich dir nicht mehr sagen, aber ich habe es mit sehr guten Noten bestanden. In der Schule waren auch Michael Günther (Fame) und Christian Kneisel, mit dem ich übrigens im gleichen Mietshaus in der Dernburgstrasse aufgewachsen bin.
Ach ja, da haben ja etliche gewohnt, oder? Mickie Duwe auch…
Ja, Duwe hat einen halben Block weiter gen Lietzensee gewohnt. Aber Christian Kreisel wohnte in dem gleichen Haus wie ich, eine kleine Welt.
Du warst jetzt aber durch Fame bei Agitation Free gelandet?
Richtig, über das Scratch Orchestra hatte Musikmachen für mich angefangen. Thomas Kessler hat mir dann beigebracht mit Tonbändern zu arbeiten und zu schneiden. Daraus entwickelte sich mit Tape Loops zu experimentieren und mit einfacher Elektronik, die Thomas damals ansammelte. Ich konnte das Studio oft nutzen, wenn es leer war. Ich bastelte dann an Kontaktmikrophonen, sammelte exotische Instrumente in Trödelläden und fing an eigene Elektronische Klangerzeuger zu bauen. Agitation Free, Tangerine Dream und Ash Ra Tempel haben im gleichen Studio geprobt, und langsam kam man sich näher. Edgar Froese kannte ich bereits seit einigen Jahren durch Frank Schickler. Eines Tages fragte mich Fame auf dem Schulhof: “willst du nicht mal bei uns mitmachen?“ Das führte dann zum ersten Konzert mit Agitation Free in der TU-Mensa gemacht. Ich habe da nur mit Tape-Loops und einer verstärkten Zitter experimentiert, …das lief irgendwie so gut, dass alle zusammen weitermachen wollten.
War da noch Christopher Franke am Schlagzeug?
Das war etwa 2-3 Wochen nachdem Christoper von Agitation Free zu Tangerine Dream gewechselt ist. Lüül und Fame suchten irgendwie eine neue Richtung
Aber vorher hatte Klaus Schulze ja da noch getrommelt.
Vor Christoph hatte Klaus bei TD getrommelt. TD hatte immer stetig wechselnde Besetzungen. Aber soweit ich mich erinnere blieben all diese Leute anfangs freundschaftlich verbunden. Mein erstes Konzert mit Agitation Free war ohne einen Schlagzeuger. Ein paar Wochen später brachte Klaus Schulze dann Burghard Rausch zu einem Probetermin ins Beat Studio.
Burghard hat ja in Steglitz gewohnt.
Ich kannte Ihn eigentlich als DJ im Sun und im Park, damals Berlins beste Underground Clubs. Seit diesem Probetermin spielte Burghard dann bei Agitation Free mit. Mit Burghard hänge ich übrigens momentan fast täglich über FaceTime zusammen und versuche ihm Pro Tools beizubringen.
Ich habe ja mit ihm gesprochen, wir kennen uns ja auch ziemlich gut mittlerweile und er war super happy das er jetzt endlich zuhause produzieren kann. Das war irgendwie so etwas, was er wohl schon lange vermisst hat.
Er hat nie mit Software gearbeitet, und Pro Tools hat eine steile Lernkurve.
Das ist aber auch egal, ob du jetzt mit Pro Tools oder Cubase oder was auch immer einsteigst. Du musst dir schon ganz schön viel Zeit nehmen.
Du musst dir Zeit nehmen, alle DAWs wollen alles können, und es ist mittlerweile recht komplex,
Du warst dann bei Agitation Free dabei und ihr seid aber immer noch im Beat Studio gewesen?
Wir probten regelmäßig in der Pfalzburger Strasse bis wir 1973 in Frank Burkner’s Multimedia-Studio umzogen. Tommy Kessler als de facto Leiter des Beat Studios forderte und förderte alle die daran interessiert waren. Er überraschte mich mit permanent neuen Herausforderungen und war ohne Zweifel mein wichtigster Lehrer. Ich denke das was immer später als Berliner Schule beschrieben wurde, oder besser gesagt was ich bis heute darunter verstehe, wurde von Thomas mitinitiiert und maßgeblich geformt. Weniger gestaltet aus einer bestimmten Vision, sondern durch seine unglaublich positive Energie Menschen herauszufordern und zu inspirieren, Ihnen neue, idiosynkratische Ideen nahe zu bringen, sie zu provozieren und anzuregen so das alle ein bisschen mehr nachdenken mussten. Meiner Meinung nach war Thomas Kessler für uns alle der Katalysator schlechthin.
Das sieht er in seiner Bescheidenheit eigentlich überhaupt nicht so. Aber er war wahnsinnig gerührt, dass ich ihn befragt habe. Und ja er ist ein super netter Mensch. Das muss ich auch sagen.
Ein großartiger, wirklich netter Mensch; er hat uns alle unmerklich in Richtungen geschoben, die wir noch nicht kannten. Auch die diversen Einflüsse durch die vielen unterschiedlichen Talente, die er ins Studio brachte, haben viel bewirkt. Da waren Rockmusiker, Klangkünstler, Literaten, Komponisten und Avantgarde-Musiker, eine wunderbare Mischung von Autodidakten und Akademikern, und manchmal auch Gäste des DAAD’s. Wir arbeiteten damals schon mit zyklischen musikalischen Pattern, und Thomas war der Erste, der uns auf die Parallelen mit der Amerikanische Minimal Music hinwies.
Eine Geschichte ist bei mir noch deutlich hängengeblieben: Eines Tages kam er in den Probenraum und sagte: „Heute mal was ganz Anderes, ich spiele euch ein Stück vor und bitte versucht es mal nachzuspielen.“ Sowas machten wir eigentlich nie, wir improvisierten ausschließlich, bewusst jedes Mal anders. Er sagte nichts über den Ursprung, aber das Stück hatte vage Parallelen zu unserer damaligen Musik. Wir versuchten also unser Bestes und Thomas nahm es auf für eine nachfolgende gemeinsame Kritik.
Das Stück war Church of Anthrax von John Cale und Terry Riley. Wir waren alle ziemlich verblüfft, denn es gab bis dahin für uns keine Parallelen bei denen Rockelemente, sich wiederholende Pattern und Elektronik zusammenarbeiteten.
Thomas Kessler hat euch an die Elektronik gebracht?
Elektronik tauchte zu der Zeit an vielen Ecken der Avantgarde auf. Wir spielten alle in diversen Ad-Hoc Gruppen die oft mehr oder weniger komplexe Elektronik mit einbezogen, z.B. mit Ladislav Kupkovič oder Friedhelm Döhl. Dann brachte Thomas den ersten EMS Synthi A nach Berlin.
Er sagte, dass er extra nach England gefahren ist und von seinem Geld hat er das Ding gekauft und hat den dahingestellt und alle haben gestaunt.
Zwei Wochen später sind Lüül und ich nach England gefahren und haben für Christopher Franke und mich je einen Synthi A gekauft, damals noch direkt bei Peter Zinovieff in Putney…und Lüül kaufte eine VOX Orgel-Gitarre. Das war 1971. Aber Thomas war allen voran.
Also wie gesagt, er meinte, er hat den besorgt und der steht auch noch bei ihm heute zuhause.
Ja, meiner steht auch noch bei mir, das einzige analoge Instrument, das ich behalten habe. Thomas brachte dann eines Tages Peter Michael Hamel ins Studio, ein Komponist der auch bei einer Gruppe namens Between spielte. Nachdem er einmal mit Agitation Free probte schlug er vor: „mein Verleger, der Schott-Verlag, startet gerade das neue Label Music-Factory zusammen mit Phillips/Vertigo. Ihr solltet da eigentlich mal eine Demoaufnahme machen.“
Nach einigen informellen Kontakten gab es dann im Mainzer Schloss ein Shoot-Out Konzert. Die ganzen Bonzen von Philipps und mehreren anderen Labels wollten hören wer auf das Label soll. Wir haben damals total frei improvisiert und das Resultat war immer ein Vabanque-Spiel. Nach dem Konzert hat uns Peter Hanser-Strecker vom Schott Verlag dann tatsächlich einen Vertrag angeboten. Das haben wir letztendlich Peter Michael Hamel zu verdanken, der uns mit dem Label in Kontakt gebracht hat.
Ich muss mal eine technische Frage dazwischenschieben, weil mich die brennend interessiert. Wer ist auf die Idee gekommen die Revox A77, als Echogerät zu benutzen?
Meine frühen Loop Experimente mit Agitation Free basierten bereits auf dem Prinzip mit multiplen Tonköpfen. Ich habe damals im Studio immer mehrere Revox-Maschinen als Delay zu benutzt, aber Thomas Kessler hat uns im Beat Studio gezeigt wie man die Geschwindigkeit der Revox modifizieren kann.
Live habe ich bis 1974 immer ein Dynachord-Echochord benutzt. Terry Riley war meines Wissens der Erste der das Live mit der Revox bei Rainbow in Curved Air machte.
Ich frage deshalb, es gab und erstaunlicherweise gibt es das immer noch, das Studio Hofschneider in Zehlendorf.
Hofschneider war ein ausgefallener Techniker, der sehr an Musik interessiert war. Er baute uns allen die Revox Geschwindigkeits-Regler mit einer präzisen analogen Anzeige.
Ja, und er hat selber ein Modular-System gebaut, und zwar das SYNLAB.
Richtig, das war damals für die Folkwang Hochschule in Essen.
Ist er auf euch zugekommen oder wie ist da der Kontakt entstanden?
Er hatte die Lautsprecher für die Philharmonie gebaut, der Kontakt kam denke ich auch durch Tommy Kessler oder Christoph, ich erinnere mich aber nicht mehr genau.
Na, wenn das so wäre, dann hätte Thomas Kessler einen Wahnsinns Einfluss gehabt, oder? Also, was der für Leute dann zusammengebracht hat, ist ja schon magisch.
Wie schon gesagt, Tommy war meiner Meinung nach der wichtigste Einfluss für uns alle im Studio in der Pfalzburger Strasse. Ich denke das würden auch Edgar Froese und Christopher Franke heute bestätigen. Er hat einigen von uns Türen zu neuen musikalischen Welten geöffnet.
Und weshalb ist Agitation Free damals kaputtgegangen? Oder bist du nur ausgestiegen?
Ich denke das war eine Kombination aus Gruppendynamik und musikalischer Richtungssuche. Wir hatten diese Platten gemacht, aber haben nie ein einziges Stück dieser Platten jemals Live gespielt. Es sollte immer freie Improvisation sein, wir haben uns bestenfalls an Motive angelehnt. Und das war manchmal großartig und manchmal relativ mittelmäßig, was zu endlosen Diskussionen führte. Es gibt dazu eine wunderbare Dokumentation. Alfred Bergmann, ein Autor und Freund der Gruppe hat unsere Proben und Diskussionen damals bei einem zweiwöchigen Aufenthalt auf einem Bauernhof mit Tonband aufgezeichnet. Daraus ergab sich dann ein SFB Hörspiel: “Agitation Free – Portrait einer Musikgruppe”. Das ist noch heute ein interessanter Einblick in genau das was die Gruppendynamik damals ausmachte. Wir haben manchmal 20 Minuten gespielt und zwei Stunden darüber diskutiert.
Oh, das ist ja grauenhaft.
Keineswegs, es war einerseits großartig, weil das uns alle zu besseren, toleranteren Typen gemacht hat, aber andererseits auch sehr schwierig, weil wir nicht genügend geschult waren komplexe musikalische Probleme zu analysieren, bzw. unsere Partner immer genügend zu respektieren. Es ist noch heute witzig sich dieses Hörspiel anzuhören.
Ja, es wäre schön, wenn du mir das zuschicken könntest.
(Anmerkung: Der Autor hat das Hörspiel bekommen, er hat Alfred „Bergi“ Bergmann ausfindig gemacht und er war von dem Hörspiel dermaßen begeistert, dass er in Zusammenarbeit mit Alfred Bergmann eine Abschrift des O-Tons in dieses Buch übernommen hat)
Gut das war ja schon 75, oder?
Nein, ich denke das war 1973.
Warst da schon bei Agitation Free raus?
Ich hörte 1974 bei Agitation Free auf. Mir schien das fortwährende Improvisieren in einer Sackgasse zu landen. Ich wollte eigentlich anfangen an Solokompositionen zu arbeiten. Zur gleichen Zeit kam Klaus Schulze auf mich zu ein Duo zu gründen.
Ja dieses Timewind Projekt. Wie kam es denn zustande?
Klaus sagte: „Komm, lass uns was zusammen machen.“ Wir probten ein paar Monate zusammen und hatten eigentlich sehr viel Spaß zusammen. Das Projekt scheiterte ganz einfach an Richard Branson. Klaus hatte bereits seinen Solovertrag mit Virgin, und Branson sagte damals zu Klaus: „du kannst entweder Timewind machen oder dein Soloprojekt.“ Klaus entschied sich, völlig einsichtig und richtig dafür sein Solovorhaben durchzuziehen.
Hast du denn mit Klaus Schulze aufgenommen? Also habt ihr Stücke gemacht, die ihr irgendwo mal aufgenommen habt? Weil da ist ja nie was veröffentlicht worden.
Durchaus möglich, dass da Zweispurbänder existieren von Proben oder von Konzerten. Bei mir ist da aber nichts.
Ihr habt richtig Konzerte gegeben? Also als Timewind?
Ja, absolut. Wir haben Konzerte u.a. in Brüssel und Paris gespielt. Ich erinnere mich an ein witziges Foto von Klaus und mir in Paris. Das alles passierte innerhalb von nur 3-4 Monaten, und erscheint mir jetzt wie eine flüchtige Wolke.
Und danach warst du im luftleeren Raum?
In der gleichen Woche, als Klaus sich entschied Solo weiterzumachen fragte mich Edgar, ob ich mit TD spielen will. Das war ein fast fliegender Wechsel.
Wie ging das weiter?
Der Plan war eigentlich die nächste Tangerine Dream LP aufzunehmen, aber Richard Branson offenbarte ein neues Problem. Er bestand damals darauf für alle Virgin Artists auch bei ihm in den Verlag zu gehen. Ich hatte jedoch noch den Verlags-Vertrag mit Schott, und die wollten mich nicht abgeben. Damit wurde die LP für mich unmöglich, und wir fingen erst nach Rubicon an gemeinsam zu proben. Das führte dann zu der Tournee durch Australien und dem Konzert in der Royal Albert Hall. Damit endete aber auch TD für mich. Nach dem Konzert in der Royal Albert Hall war mir endgültig klar, dass es mit Bands für mich nicht mehr weitergeht. Ich wollte einfach nicht mehr improvisieren, sondern klar konzipierte Stücke machen, selber machen.
Und dann, ja wahrscheinlich so Anfang 76 bist du langsam an deine Arbeit für dein Solo-Album gegangen?
In der Woche nach dem Albert Hall Konzert habe ich sofort angefangen an neuem Material zu arbeiten. Klaus Schulze war damals sehr generös und hat mir seine Achtspurmaschine geliehen. Ich habe dann begonnen in der Bamberger Straße aufzunehmen. Es dauerte etwa 10-12 Monate bis genügend Material auf dem Band war….”
Deutsche Erstausgabe Mai 2023
Copyright © dieser Ausgabe und aller Texte: Bernd Kistenmacher, Edition Mahlstrom, Berlin
Artikelnr. des Verlages: EM 10001
Seitenzahl: 793
Email: service@edition-mahlstrom.de
Satz, Druck und Bindung: Druckhaus Sportflieger, Berlin
Printed in Germany
ISBN 978-3-00-075096-0
Bezugsquelle: https://www.edition-mahlstrom.de/
Über den Autor:
Bernd Kistenmacher, geb. Oktober 1960 in Berlin, lebt und arbeitet seit seiner Geburt in Berlin und bezeichnet sich selbst als „Mauerkind“. Hauptberuflich ist Bernd Kistenmacher Musiker, der im Bereich der elektronisch-symphonischen Musik arbeitet. Bereits 1984 hat er sein erstes Solo-Album „Romantic Times“ auf Kassette veröffentlicht. Weitere Solo-Alben auf Kassette, LP und CD sind gefolgt. Sein Oeuvre umfasst mehr als dreißig Alben. Seinen Backkatalog findet man heute auf der Internet-Plattform „Bandcamp“. Immer wieder hat Bernd Kistenmacher Konzerte im In- und Ausland gegeben; vorzugsweise in Planetarien, weil diese die ideale Infrastruktur für seine Musik bieten.
Bernd Kistenmacher hat 1986 sein erstes Label Timeless Sounds gegründet, dass in den darauffolgenden Jahren in Musique Intemporelle umbenannt wurde und heute unter dem Namen MIRecords firmiert. Früher veröffentlichte das Label zahlreiche Künstler aus dem Bereich der elektronischen Musik, so auch Klaus Schulze, Manuel Göttsching, Michael Hoenig, Agitation Free, Rolf Trostel und viele andere. Heute veröffentlicht Bernd Kistenmacher auf MIRecords ausschließlich eigene Produktionen.
Bernd Kistenmacher war der erste unabhängige Produzent, der Mitte der Neunziger Jahre und vor dem Siegeszug des Internet die Multimedia-Produktion „The M.I. Rainbow Collection“ produziert und veröffentlicht hat. Schon damals interessierte ihn die Verbindung aus unveröffentlichter Musik und Bereitstellung von Hintergrundinformationen über die jeweiligen Künstler mittels integrierter Datentracks. Damals ein absolutes Novum.
Heutzutage ist Bernd Kistenmacher als freier Autor für diverse Musikmagazine und –Plattformen tätig. 2020 hat er seinen eigenen YouTube Kanal „Freak Out Your Synth“ aufgebaut, auf dem er ausgewählte Synthesizer in Bild- und Ton vorstellt.